Medien und Demokratie
Massenmedien stellen Öffentlichkeit her und sind damit von zentraler Bedeutung in einer Demokratie: Sie ermöglichen Transparenz und Legitimation politischen Handelns und sind maßgeblich an der demokratischen Meinungsbildung der Gesellschaft beteiligt. Gleichzeitig bestimmen sie durch Agendasetting die politischen Themen. Medien haben in der Demokratie die Aufgabe, die Bürger*innen auf gesamtgesellschaftliche Probleme aufmerksam zu machen und über das politische Geschehen zu informieren und genießen diesbezüglich auch hohes Vertrauen. Zugleich fungieren Medien als eine vierte Macht oder Gewalt, die Kontrolle und Kritik ausübt. Politische Akteur*innen sind wiederum auf Medien angewiesen, um ihre Botschaften zu vermitteln und sich selbst ein Bild über die öffentliche bzw. veröffentlichte Meinung in der Bevölkerung zu machen. Meinungs-, Presse- und Medienfreiheit sind unverzichtbare Kriterien für Demokratiequalität und politische Macht ist heute nicht mehr ohne den Einbezug von Medien zu denken.
Mediatisierte Politik
Im Kontext des omnipräsenten Stellenwerts, den Massenmedien in der heutigen Mediengesellschaft erhalten, hat sich auch das komplexe Verhältnis zwischen Medien und Politik zunehmend verändert. Statt der früheren Trennung von Medien und Politik überlagern sich beide Systeme weitgehend. Medien beobachten nicht nur das politische Geschehen, sie fungieren zunehmend als Stimmungsmacher und folgen bei der Darstellung von Politik ihrer eigenen Logik. Demokratische Politik ist zur Legitimation ihrer Macht in der heutigen komplexen Gesellschaft auf die medial vermittelte Kommunikation angewiesen und unterwirft sich der Logik der Medien. Man kann auch von einer „Mediatisierung der Politik“ sprechen, was besagt, dass politische Kommunikation und politisches Handeln sich immer mehr an den Regeln der Massenmedien orientieren (vgl. Steinmaurer, 2012). Somit wird Politik durch die Selektion spektakulärer Ereignisse, die Auswahl telegener Politiker*innen und dessen theatralische Inszenierung geprägt (Selektionslogik/Präsentationslogik). Zudem kommt es zu einer Professionalisierung der politischen Kommunikation mit dem Ziel, die politischen Akteur*innen möglichst vorteilhaft auf der Medienbühne zu präsentieren und die Kontrolle über die politische Berichterstattung zu gewinnen.
Mediendemokratie
Diese Entwicklung wird in der Wissenschaft auch als Mediendemokratie bezeichnet, die nach Thomas Meyer die Parteiendemokratie, in der die wichtigsten Entscheidungen von Parteien getroffen wurden, abgelöst habe. Mediendemokratie zeichnet sich nach ihm durch eine „professionelle Selbstmediatisierung der Politik nach den Regeln theatraler Inszenierungslogik“ aus (Meyer 2002). Während in der Parteiendemokratie die Medien die Politik beobachten sollten, zeichnet sich seit den 1980er-Jahren verstärkt ab, dass umgekehrt die politischen Akteur*innen das Mediensystem beobachten, um von ihm zu lernen, wie sie die Kontrolle über die Aufmerksamkeit in der Gesellschaft zurückerlangen. Dabei versuchen sie sich medienkompatibel zu zeigen, um ihre Botschaften massenmedial verbreiten zu können (vgl. Laus 2018). Politische Veranstaltungen und Berichterstattungen über Politik werden unterhaltende Elemente beigefügt und werden zu einem „Politainment“ (Dörner: Politainment). Die politischen Debatten werden vom Parlament in die abendlichen Talkshows verschoben, der politische Wahlkampf zeichnet sich durch professionalisierte Medienkampagnen aus und wird im Fernsehen z.B. als TV-Konfrontation fortgeführt. Die wichtigste Rolle bei der politischen Meinungsäußerung spielt aber inzwischen zweifelsohne das Internet. Dieser Umstand hat weitreichende Auswirkungen auf die politische Debattenkultur, da beispielsweise durch PR-gesteuerte Kommunikation Aufmerksamkeit von User*innen gezielt gelenkt werden kann, was vor allem in Wahlkampfzeiten von großer Relevanz für politische Akteur*innen ist (vgl. Laus 2018). Mit der Verschiebung der politischen Diskussion ins Internet bzw. auf Social Media Plattformen verändert sich zunehmend auch die zeitliche Komponente des Austauschs. Durch immer schnellere Produktion und Verfügbarkeit von Informationen wird der Neuigkeitswert von Nachrichten innerhalb kürzester Zeit entwertet. Die Folge daraus ist, dass durch die verkürzte Aufmerksamkeitsspanne der User*innen in Erwartung neuer Benachrichtigungen nur noch wenige Themen über einen längeren Zeitraum im medialen Fokus bleiben (vgl. Laus 2018).
Mediokratie
Thomas Meyer wertet den Wechsel zur Mediendemokratie äußerst kritisch und verwendet hierzu vor allem den Begriff der „Mediokratie“. Darunter versteht er die „Kolonialisierung der Politik durch die Medien“, in der der Politik die Handlungslogik der Medien aufgezwungen wird: „Welche Themen auf den Tisch kommen, welcher Politiker Aufstiegschancen hat, wer die Führung übernimmt […] das wird durch mediale Vermittelbarkeit und Mediencharisma mit entschieden“ (Meyer 2003). Politik, die sich den Mitteln medialer Aufmerksamkeit bedient, kann somit Gefahr laufen zu einer Scheinpolitik zu werden. Die Ausrichtung der Politik nach der medialen Logik führt aber vor allem zu einem Konflikt zwischen den unterschiedlichen Zeitformen von Medien und Politik: Während demokratische Prozesse komplex und langatmig sind, ist mediale Präsentation durch eine schnelle Verfallszeit geprägt und verlangt allerneueste Aktualität und somit schnelle unmittelbare Entscheidungen. Mediokratie führe zudem zu einer Entmachtung des/der Staatsbürger/in, da die Themenhoheit nur noch im Spannungsfeld zwischen Politik, PR und Massenmedien liegt. Die/der Bürger/in beobachte letztendlich nur noch die politische Debatte in den Medien ohne selbst zu partizipieren. Demokratie läuft vor diesem Hintergrund somit Gefahr zu einer Zuschauerdemokratie zu werden (Meyer 2002: 95).
Wechselverhältnis Politik und Medien
In den ausgeführten Interpretationen zum Konzept der Mediendemokratie befindet sich in erster Linie das politische System in der Gewalt des Mediensystems. Diese Sichtweise ist jedoch zu einseitig. Das Verhältnis der Politik zu den Medien ist statt einer alleinigen Dependenz eher durch Interdependenz und Interaktion geprägt. Vielmehr versuchen beide Systeme in diesem Wechselverhältnis Vorteile durch den anderen zu erzielen: So nutzen Politiker*innen den Kontakt zu Journalist*innen, um Öffentlichkeit und Aufmerksamkeit durch die mediale Präsentation zu erlangen. Journalist*innen nutzen wiederum den Kontakt zu Politiker*innen, um Zugang zu internen Informationen zu erhalten. (Kleinsteubner: 6) Das Konzept der Mediendemokratie verfügt somit nach Hans J. Kleinsteubner sowohl eine deskriptive als auch eine normative Seite: Einerseits beschreibt das Konzept den unbestreitbaren Fakt, dass die Bedeutung der Medien im demokratischen Prozess zugenommen hat. Andererseits mahnt der Begriff die Medienleute (als auch politische Akteur*innen) zu einem reflexiven Umgang (vgl. Kleinsteubner: 7).
Angesichts des hohen Stellenwerts, den Medien im demokratischen System besitzen, ist es zwingend notwendig, ein freies und offenes Mediensystem zu fördern, das sich selbst durch demokratische Prinzipien wie Pluralität und Meinungsfreiheit sowie eine professionelle Distanz zur Politik auszeichnet.
Kritisch zu berücksichtigen ist dabei der Umstand, dass neben den traditionellen Medien immer mehr Kommunikation über Social Media stattfindet. Mediennutzer*innen sind umso mehr darauf angewiesen, politische Manifestationen in verschiedenen Medien kritisch einordnen zu können (vgl. Lauss 2018). Durch den unmittelbaren Zugang zu Social Media haben Politiker*innen die Möglichkeit durch polarisierende und grenzüberschreitende Aussagen innerhalb kurzer Zeit eine große Gruppe von Nutzer*innen zu erreichen. Die zentrale Problematik dieses Phänomens liegt darin, dass durch die schnelle Vervielfältigung solcher Inhalte der Eindruck entstehen kann, eine Mehrheit der Bevölkerung würde diesen zustimmen (vgl. Lauss 2018). Die Richtlinien von Social Media Plattformen müssen daher so gestaltet sein, dass die Verbreitung skandalisierender und falscher Aussagen zu umstrittenen politischen Themen verhindert wird. Die weite Verbreitung von Social Media hat jedenfalls zentrale Annahmen bzw. Kritikpunkte an der „Mediendemokratie“ bzw. der „Mediatisierung“ von Politik entkräftet, da Politiker*innen nicht mehr so stark auf Journalist*innen in ihrer Funktion als Gatekeeper angewiesen sind; über Social Media können sie direkt und unmittelbar ihre eigenen Botschaften oder Interpretationen von Nachrichten veröffentlichen.