Identitätsbildung und Identitätsentwicklung

Unterrichtssequenz 1

Medien dienen zunehmend als Sozialisationsinstanzen und/oder werden als solche genutzt. Bei Identitätsbildung und Identitätsentwicklung stellen sie daher ein wichtiges Element dar. Schüler*innen nutzen Medien zur Zielorientierung und entwickeln Expert*innenwissen über mediale Inhalte. So ordnen sie sich bestimmten Peergruppen zu oder grenzen sich vom Elternhaus ab. Als Identifikationsfiguren dienen Protagonist*innen von Fernsehsendungen, eines YouTube-Kanals, Castingshowteilnehmer*innen o. Ä. Neue mediale Formate bieten hierbei vielerlei Möglichkeiten, da deren Nutzung sowohl aktiv als auch passiv möglich ist. Das Angebotsspektrum reicht von Vorstellungen und Deutungen bis hin zu Gefühlen, die übernommen werden können oder der Inspiration dienen.

Schüler*innen stehen in Bezug auf die Mediennutzung häufig in einem Generationenkonflikt mit ihren Eltern oder Lehrer*innen. Das fehlende gegenseitige Verständnis von „digital natives“ und „digital immigrants“ birgt ein Konfliktpotenzial und führt zu Missverständnissen. Die Identität stellt aber im Web 2.0 eine Kombination von Persönlichkeit aus dem „realen Leben“ und einer internetbasierten Persönlichkeit dar.

Aus didaktischer Sicht können bestimmte Aspekte in Bezug auf die Identitätsbildung und Identitätsentwicklung bei der Nutzung von Social Media kritisch gesehen werden. Zum einen besteht der direkte Vergleich mit anderen durch Fotos und Posts, und zum anderen die Orientierung an falschen oder zu hoch gegriffenen Idealen/Illusionen. Der weitreichende Einfluss von YouTube-Stars/Influencer*innen dient als Orientierungshilfe und wird nur selten durch die Nutzer*innen kritisiert oder angezweifelt. Belohnungssysteme in sozialen Medien wie z. B. die Snapchat-Flammen/Instagram-Likes etc. machen den Reiz für die Nutzer*innen aus und liefern ihnen soziale Anerkennung, die in der Identitätsentwicklung eine herausragende Rolle einnimmt.

Bei vielen Jugendlichen ist eine fehlende Medienmündigkeit zu erkennen, die durch gezielte Bildungsangebote gestärkt und gefördert werden sollte. Ein Nutzungsverbot und die Diffamierung einzelner Medien sollte nicht das Ziel von Bildungseinrichtungen und ihren Angeboten sein. Vielmehr müssen Lehrende mit den Gegebenheiten umzugehen lernen und diese für ihren Unterricht fruchtbar machen. Denn das Zeitalter des Web 2.0 stellt Herausforderungen, bietet aber auch Chancen.

Lernziele dieses Moduls:

  • Perspektivübernahme üben
  • Selbstreflexion üben
  • Handlungskompetenzen erwerben
  • Medienmündigkeit erweitern/erwerben

Umsetzungsbeispiele

Diskussionen über mediale Formate und Inhalte innerhalb der Lerngruppe sollen dazu führen, dass die Schüler*innen andere Perspektiven einnehmen, die Lernprozesse triggern. Durch unterschiedliche Rollen werden verschiedene Positionen eröffnet, die sowohl herausfordernd sind als auch Handlungskompetenzen stärken, indem sie die Vorstellungen der Jugendlichen erweitern und/oder in Frage stellen. Durch eine gezielte Auseinandersetzung mit Themen aus ihrer Lebenswelt soll es ihnen ermöglicht werden, auch die eigenen Vorstellungen und Handlungen kritisch zu hinterfragen.

Arbeitsaufgaben für Schüler*innen

Gruppenarbeit: Rollenspiel Selbstinszenierung im Social Web

  1. Ihr erhaltet eine Rollenkarte. Lest euch aufmerksam die Anmerkungen zur Rolle durch. Lest anschließend die ausgegebenen Artikel und arbeitet aus den Texten Informationen heraus, die zum Ressortschwerpunkt eurer Rolle passen.
  2. In einer Podiumsdiskussion soll zum Thema „Selbstinszenierung im Social Web“ diskutiert werden. Wählt hierzu eine*n Vertreter*in aus eurer Gruppe aus, der die Position der Rolle in der Diskussion vertritt. Achtet darauf, Argumente für eine Pro- und Kontra-Diskussion zu finden und auch mögliche Erklärungen für bestimmte Phänomene zu finden, die von anderen Diskussionspartner*innen kritisiert werden können.

Mögliche Rollenkarten:

  • Rollenkarte 1: Psychologe*Psychologin
  • Rollenkarte 2: Journalist*in
  • Rollenkarte 3: YouTuber*in
  • Rollenkarte 4: Bildungsminister*in
  • Rollenkarte 5: Schüler*in und Nutzer*in
Rollenkarte 1: Psychologe*Psychologin

Du bist ein*e Kinder- und Jugendpsychologe*-psychologin mit dem Schwerpunkt „Neue Medien“ und „Medienkompetenz“. Du kannst sowohl positive als auch negative Auswirkungen medialer Formate und ihrer Inhalte auf Jugendliche und Kinder benennen. Du berichtest aus deiner Berufspraxis und einer neuen Studie, an der du mitgewirkt hast, bei der sich die genannten Auswirkungen gezeigt haben.

Das Bild zeigt eine Frau, welche von einer anderen Frau getröstet wird. Es dient nur als Symbolbild.

Rollenkarte 2: Journalist*in

Du bist ein Journalist/eine Journalistin, der/die im Bildungsressort einer großen Tageszeitung arbeitet und sich zurzeit schwerpunktmäßig mit neuen Medien auseinandersetzt. Du versuchst alles ans Licht zu bringen und kennst daher sowohl die negativen als auch die positiven Stimmen zu dem Thema.

Das Bild zeigt ein Symbolbild für eine Interviewerin.

Rollenkarte 3: YouTuber*in

Du bist ein*e bekannte*r YouTuber*in und verstehst die ganze Kritik um das Thema „Selbstinszenierung im Social Web“ gar nicht. Du kannst viele Vorteile nennen und lässt Kritik nur bedingt zu. Zudem versuchst du den anderen Menschen in der Diskussionsrunde die neuen medialen Formate näher zu bringen und zu erklären, warum sich Kinder und Jugendliche gern mit diesen beschäftigen.

Zu sehen ist eine Frau, welche von Logos verschiedener Social Media Seiten umgeben ist. Es dient als Symbolbild.

Rollenkarte 4: Bildungsminister*in

Du bist der*die Politiker*in in der Runde und versuchst die positiven und negativen Auswirkungen von neuen Medien auf die Bildungspolitik zu erläutern. Mit einfließen sollen die Interessen oder auch Bedenken der Bildungspolitik in Bezug auf neue Medien. Was sind die nächsten Schritte der Politik und warum setzt sich die Politik mit Digitalisierung auseinander?

Das Bild zeigt den Bildungsminister Heinz Faßmann.

Heinz Faßmann, Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung © Bundesministerium für Bildung und Forschung

Rollenkarte 5: Schüler*in und Nutzer*in

Du bist ein*e Schüler*in und Nutzer*in neuer Medien. Du versuchst die Perspektive eines an neuen Medien interessierten Menschen zu vertreten. Welche medialen Formate benutzt du und warum? Welche Vor- und Nachteile siehst du? Wie ist das Verhältnis zwischen Schule und neuen Medien?

Eine Wand voller Profilbilder wird mit einem Smartphone abfotografiert. Dies dient als Symbolbild.

Arbeitsaufgabe für Schüler*innen

Kleingruppenarbeit/Plenumsarbeit: Einfluss von YouTube auf Jugendliche

Schaut euch das YouTube-Video von BibisBeautyPalace an. Lest anschließend den abgebildeten Ausschnitt mit Kommentaren, die unter dem Videobeitrag standen. Diskutiert zunächst in Kleingruppen über den Inhalt des Videos und die Reaktionen unter dem Video.

Video: BibisBeautyPalace (2015): ICH KANN NICHT MEHR :(alles ist scheiße…. Online verfügbar unter https://www.youtube.com/watch?v=rB83g3D98p4, zuletzt geprüft am 24.07.2021.

  • Beschreibt den Inhalt der Aussagen in den Kommentaren und den Inhalt des Videos. Worum geht es?
  • Analysiert den Zusammenhang zwischen dem Video und den Kommentaren. Welche Auswirkungen scheinen die Aussagen der YouTuberin auf die Rezipient*innen zu haben?
  • Beurteilt die Vor- und Nachteile, die sich eurer Meinung nach aus dem Inhalt des Videos für Rezipient*innen ergeben.
Man sieht einen Ausschnitt der Kommentare des Youtube-Videos.

Quelle: BibisBeautyPalace (2015): ICH KANN NICHT MEHR :(alles ist scheiße…. Online verfügbar unter https://www.youtube.com/watch?v=rB83g3D98p4, zuletzt geprüft am 02.01.2020.

Fragen, die im Plenum geklärt werden sollen

  • Welche Themen haltet ihr für wichtig, die in einem YouTube-Video besprochen werden sollten?
  • Wen erreichen die Inhalte von YouTube-Videos?
  • Was für Auswirkungen können YouTube-Videos auf ihre Rezipient*innen eurer Meinung überhaupt haben?
  • Worüber würdet ihr ein YouTube-Video drehen?

Literatur

Becker, Lisa (2015): Smartphone im Klassenzimmer: Zeit für digitale Medien in der Schule. http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/smartphone-im-klassenzimmer-zeit-fuer-digitale-medien-in-der-schule-13481765.html (09.12.2020)

Brück, Kira/Müller, Benedikt (2014): Ich-Booster im Internet. Ich will mehr Likes! http://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/facebook-instagram-jugendliche-ueber-selbstinszenierung-im-social-web-a-963258.html (09.12.2020)

Bundesministerium für Bildung und Forschung (2016): Wanka: Deutschlands Schulen fit machen für die digitale Welt. https://www.bmbf.de/de/wanka-deutschlands-schulen-fit-machen-fuer-die-digitale-welt-3419.html (09.12.2020)

Sickmann, Philipp (2014): Mediennutzung von Jugendlichen. Immer online, nie mehr allein. http://www.tagesspiegel.de/medien/mediennutzung-von-jugendlichen-immer-online-nie-mehr-allein/9652054.html, (09.12.2020)