Filterblasen-Selbsttest

Unterrichtssequenz 3 – Vertiefung

Die Schüler*innen haben sich, wie zuvor vorgeschlagen, mit den Hintergründen der Verknüpfung von Social Media und Politik auseinandergesetzt. Nun wird bei den Schüler*innen möglicherweise die Frage aufkommen, ob sie selbst in einer Filterblase oder Echokammer „gefangen“ oder zumindest deren Einflüssen ausgesetzt sind. Um einen Eindruck zu vermitteln, in welchem Ausmaß die Schüler*innen von den beschriebenen Mechanismen betroffen sind, können sie einen Filterblasen-Selbsttest durchführen, den die Süddeutsche Zeitung entwickelt hat (sueddeutsche.de). Auch wenn dieser Test auf deutsche Facebook-Nutzer*innen ausgerichtet ist, lassen die Ergebnisse auch bei österreichischen User*innen Aufschlüsse darüber zu, welchem politischen Spektrum die gelikten Facebook-Seiten zuzuordnen sind. Auch wenn das Testergebnis, wie auf der Seite betont wird, keine Aussage über die tatsächlichen politischen Präferenzen der Schüler*innen trifft, sondern nur eine Ähnlichkeit mit anderen Nutzer*innen wiedergibt, kann es dazu beitragen, sich der eigenen Filterblase bewusst zu werden und sich anderen Informationen und Ansichten zu öffnen (indem beispielweise bewusst auch alternative Facebook-Seiten gelikt werden).

Arbeitsaufgabe für Schüler*innen

Nachdem die Schüler*innen sich alleine oder in Gruppen dem Selbsttest unterzogen haben, versuchen sie folgende Fragen zu beantowrten:

  • (Warum) hat mich das Ergebnis überrascht?
  • Spiegelt das Ergebnis tatsächlich meine politischen Präferenzen wider?
  • Lässt das Ergebnis Schlussfolgerungen darüber zu, ob ich mich in einer Filterblase bzw. Echokammer befinde?
  • Habe ich es mir in meiner Filterblase bzw. Echokammer bequem gemacht und fühle ich mich dort wohl, oder möchte ich in Zukunft doch auch lieber mehr Gegenstandpunkte und andere Perspektiven angezeigt bekommen? Wie könnte ich Letzteres erreichen?
  • Haben die von mir gelikten Facebook-Seiten eine (z. B. linke oder rechte) Schlagseite, oder sind sie relativ ausgewogen über das politische Spektrum hinweg verteilt?
  • Welche Seiten könnte ich hinzufügen oder löschen, um ausgewogenere Informationen zu erhalten und den Filterblasen- bzw. Echokammerneffekt zu umgehen?

Filterblasen während des Bundespräsidentschaftswahlkampfes 2016

Um einen explizit österreichischen Bezug zum Phänomen der Filterblase herzustellen, können Schüler*innen auch ein Tool des Online-Nachrichtenportals derstandard.at unter diesem Link einsetzen. Mit diesem Tool lässt sich nachvollziehen, was die Anhänger*innen von Bundespräsidentschaftskandidat Alexander van der Bellen im Gegensatz zu jenen von Norbert Hofer während des Wahlkampfes 2016 auf Facebook angezeigt bekommen haben.

Arbeitsaufgabe für Schüler*innen

Die Schüler*innen können hierbei verschiedene Themen (darunter die Kandidaten selbst sowie Regierung, Migration, Wirtschaft, EU und US-Wahl) anklicken, um sich „grüne“ vs. „blaue“ Postings dazu anzeigen zu lassen (Anmerkung: Alexander van der Bellen kandidierte als unabhängiger Kandidat, wurde aber von den Grünen unterstützt). Die Grundfrage, der die Schüler*innen mit Hilfe dieses Tools selbst nachforschen können, ist, ob und wie die Polarisierung des Wahlkampfes 2016 auf Facebook widergespiegelt bzw. durch Facebook-Filterblasen begünstigt worden ist.

Vertiefende Analysen der einzelnen Postings könnten sich mit folgenden Fragen beschäftigen:

  • Welche Aspekte zu den einzelnen Themen werden im „grünen Netz“ im Vergleich zum „blauen Netz“ hervorgehoben (z. B. welche Subthemen, Argumente, Beispiele, Zahlen …)?
  • Welche Sprache sprechen die geposteten Texte (z. B. im Hinblick auf Metaphern, Schlagwörter, Hochwert- vs. Stigma-Wörter, Bezeichnungen und Zuschreibungen von Eigenschaften für bestimmte Personengruppen …)?
  • Welche Sprache sprechen die Bilder (Fotos, Cartoons, Diagramme etc.)? Gibt es diesbezüglich bestimmte Muster, die sich jeweils durch das „grüne Netz“ und das „blaue Netz“ ziehen?
  • Welche Quellen werden bevorzugt im „grünen Netz“, welche im „blauen Netz“ angeführt (z. B. Kronen Zeitung, Österreich, NGOs, Parteien …)?
  • Mit welchen Strategien wird im „grünen Netz“ im Vergleich zum „blauen Netz“ versucht zu emotionalisieren?
  • In welchen Punkten widersprechen einander die Postings im „grünen“ und im „blauen“ Netz inhaltlich?
  • Gibt es nur gegensätzliche Standpunkte oder auch inhaltliche Übereinstimmungen in bestimmten Bereichen?

Fallanalyse: Facebook-Manipulation während des Nationalratswahlkampfes

Die folgende Fallanalyse soll dokumentieren, wie problematisch die Verstrickungen von Politik und Social Media sein können: Mitte August 2017, also mitten im Nationalratswahlkampf, wurde der Medienberater Tal Silberstein in Israel verhaftet. Der Vorwurf lautete auf Geldwäsche. Silberstein war federführend beim Entwurf der SPÖ-Kampagne gewesen und hatte „sozialwissenschaftliche Forschung im Bereich der Meinungsumfragen betrieben“ (vgl. kurier.at). Mitte September kam es dann zum Skandal: Es stellte sich heraus, dass eine Werbeagentur für die SPÖ gezielt Videos herstellte, die den Spitzenkandidaten der ÖVP diffamierten (Dirty Campaigning). Diese Videos landeten dann auf einer rechten, antisemitischen und hetzerisch einzustufenden Facebook-Seite. Ende September deckten Mitarbeiter des profil auf, dass diese Website von Silberstein (und damit zumindest indirekt von der SPÖ) betrieben worden war. Doch auch nach seiner Verhaftung wurde die Seite weiter betrieben. Der Dirty Campaining-Skandal war perfekt. Schließlich tauchten noch Beweise auf, nach denen Silbersteins Partner Peter Puller von Kurz‘ Sprecher Gerald Fleischmann Geld angeboten bekommen habe, um Informationen über die SPÖ-Kampagne preiszugeben. Nach der Wahl wurde bekannt, dass ein Ex-ÖVP-Mitglied eine diffamierende Seite gegen Kern auf Privatinitiative betrieben hatte („Die Wahrheit über Christian Kern“).

Arbeitsaufgabe für Schüler*innen

Folgende Rechercheaufgaben können im Kontext des Dirty Campaigning-Skandals gestellt werden:

  • Wie war der Ablauf des Skandals, wann wurde was aufgedeckt? Die Web-Fundstücke können ausgedruckt und auf einer Timeline geordnet werden. Vielleicht gibt es nach dem Letztstand (Anfang November 2017) bereits weitere Ergebnisse.
  • Welche Auswirkungen hatte der Skandal, insbesondere für den Ausgang der Nationalratswahl 2017 und für die beteiligten Personen?
  • Wie wurde der Skandal im Internet dokumentiert, welche Position haben die einzelnen Medien eingenommen? Interessant sind hierbei die veröffentlichten Videos auf YouTube, wobei eine Untersuchung der Postings (z. B. unzensuriert.at) viele Rückschlüsse über die Intentionen der Verfasser*innen zulässt.
  • Welche diffamierenden Websites auf Facebook über Politiker*innen oder Parteien lassen sich finden? Ist erkennbar, wer hinter diesem Angebot steht?