Arbeitsmigration nach Österreich ist ein emotional aufgeladenes, kontrovers diskutiertes Thema, zu dem vermutlich alle Schüler*innen eine eigene Meinung haben. Die mitunter verkürzten Vorstellungen der Schüler*innen können nicht zu einer Versachlichung der Diskussionen über Arbeitsmigration beitragen. Die multiperspektivische Beschäftigung mit dem Thema Arbeitsmigration nach Österreich will in diesem Lernmodul durch die Vermittlung von Wissen und Kompetenzen jedoch genau dazu beitragen.
In dieser Unterrichtssequenz erwerben die Schüler*innen anhand eines Textes die notwendigen Kenntnisse über das Thema Arbeitsmigration nach Österreich in ihrem historischen Verlauf seit den 1960er Jahren. Die Schüler*innen analysieren Filme bzw. Werbeplakate, die sich mit spezifischen Aspekten der Arbeitsmigration nach Österreich beschäftigen (mit der Geschichte der österreichischen Anwerbestellen in den Herkunftsländern der Gastarbeiter*innen, mit Maßnahmen zur Integration der Gastarbeiter*innen sowie mit politischen Positionen). In Gruppenarbeit erarbeiten sie die Antworten auf die zum Film bzw. zum Plakat gestellten Fragen. Hier wäre es ideal, wenn jede*r Schüler*in bzw. jede Gruppe gemeinsam einen Bildschirm zur Verfügung hat, um den Film bzw. das Plakat ansehen zu können und danach arbeitsteilig die Arbeitsaufgaben umzusetzen. Ist dies nicht möglich, so können die Filme auch mittels Beamer vorgeführt und das Plakat ausgedruckt werden. Für diesen Fall sollten die Schüler*innen bereits vor Ansicht der Filme in Gruppen eingeteilt worden sein und wissen, welche Arbeitsaufgabe an sie gestellt wird. Anschließend präsentiert eine Gruppe nach der anderen kurz den Inhalt des von ihr analysierten Films bzw. Plakats. Den Abschluss der Unterrichtssequenz bildet eine gemeinsame Diskussion in der Klasse, in der der Wandel in der Haltung gegenüber Arbeitsmigration besprochen wird.
Arbeitsaufgaben für Schüler*innen
Lest die Zeitleiste Arbeitsmigration nach Österreich seit den 1960er Jahren und beantwortet danach folgende Fragen:
- Warum sind in den 1960er und 1970er Jahren zahlreiche Gastarbeiter*innen nach Österreich gekommen?
- War es ein Ziel, die nach Österreich geholten Arbeitskräfte zu integrieren?
- Warum wurden die Anwerbestellen geschlossen und die Arbeitsmigration reglementiert?
- Welche Auswirkungen haben wirtschaftliche Hochphasen (Hochkonjunktur) und wirtschaftliche Tiefphasen (Rezession) auf den Zuzug ausländischer Arbeitskräfte?
- Warum wurden die „Kolaric-Plakate“ plakatiert?
- Welche Maßnahmen gegen Diskriminierung werden in der Zeitleiste noch genannt?
Arbeitswissen für die Schüler*innen
Zum Medium und zum Umgang mit dem Medium im Unterricht: Die Austria Wochenschau
Gastarbeiter: Ein Sonntag-Nachmittag, Beitrag Nr. 2 in der AW 3/1974 (3.51 min)
Ort: Wien
Inhalt:
Appell an das Toleranzbewusstsein der Österreicher gegenüber den Gastarbeitern.Gastarbeiter
aus dem ehemaligen Jugoslawien (Serbien, Montenegro, Bosnien-Herzegowina, Kroatien)
strömen zu einer Veranstaltung in der Wiener Stadthalle. Jugoslawische Gruppen spielen
nationale Schlager (OT). Zuseher – Erwachsene wie Kinder- sind ausgelassen, sie singen,
klatschen und tanzen mit. Sie finden ein Stück Heimat wieder. Der Nutzen ausländischer
Arbeiter für die österreichische Wirtschaft ist unverzichtbar, ihr Bedarf soll auch in Zukunft
gesichert sein. Im Bild: große Baustelle, auf der vorwiegend ausländische Bauarbeiter
beschäftigt sind. 4 Interviews mit Gastarbeitern (OT) zur Arbeitssituation, über ihre Ängste ob
eines drohenden Arbeitsplatzverlustes.Sängerin (OT) singt jugoslawische Volksweisen, Künstler
nehmen am Ende ihrer Darbietungen Blumen auf der Bühne entgegen.
Originaltext:
Sonntag Nachmittag in der Wiener Stadthalle. Die Stadt Wien hat eingeladen. Die Menschen die hier zusammenkommen, stammen aus Zagreb, aus Split, aus Banja Luka oder aus einem Dorf in Montenegro. Der Großteil ist fleißig und lebt sparsam. Ihre Arbeit ist für unser Wohlergehen oft unentbehrlich – und doch werden sie oft noch diskriminiert.Wird die Energiekrise die Gastarbeiter um ihre Arbeitsplätze bringen? So weit wird es nicht kommen, betonen Regierung und Sozialpartner. Und auch bei den Gastarbeitern selbst überwiegt das
Gefühl, dass unsere Wirtschaft sie braucht. – O.T. – Ein Sonntag-Nachmittag in der Wiener Stadthalle. Man hat Freunde getroffen, Musik aus der Heimat gehört, man war unter sich. Am Montag werden sie wieder ihrer Arbeit nachgehen. Denken wir daran, dass sie arbeiten, damit es auch uns gut geht.
Schulversuche in Wien, Beitrag Nr. 2 der AW 14/1979 (1.48 min)
Ort: Wien
Originaltext:
Wien Ottakring. Diese Volksschule zählt zu den vielen Schulen Wiens, in denen für Schulkinder mit nichtdeutscher Muttersprache Deutsch gelehrt wird. Zweimal pro Woche erhalten die Kinder, in erster Linie Jugoslawen, Deutschunterricht. Früh übt sich…… ist die Überlegung zu diesem Schulversuch. Er hat sich bisher überaus bewährt! – Nach dem Abschluss kann eine erfolgversprechende Teilnahme am Pflichtschulunterricht erwartet werden. Viele jugoslawische Gastarbeiterkinder haben mit der deutschen Sprache weiniger Schwierigkeiten als mit ihrer Muttersprache. Um ihnen die Rückkehr in die Heimat zu erleichtern wird ein muttersprachlicher Zusatzunterricht durchgeführt! Jugoslawische Lehrkräfte unterrichten die Kinder in den Fächern Muttersprache, Heimatkunde, Geographie und Geschichte. Die erforderlichen Lern- und Lehrmittel werden von Jugoslawen an die Schulen geliefert, der Schulversuch selbst unterliegt der österreichischen Schulaufsicht. Ein Schulversuch aus dem Zusammenarbeit zweier Nachbarstaaten geworden ist – zum Wohle der Kinder.
Arbeitsaufgaben für Schüler*innen
Schaut euch die obenstehenden Filme an und beantwortet danach folgende Fragen:
- Was ist das Hauptthema des Films?
- Wer sind die Akteure und Akteurinnen?
- Kommen diese zu Wort?
- Aus wessen Blickwinkel wird berichtet?
- Ist der Film positiv, negativ oder neutral gegenüber der Arbeitsmigration bzw. den Migrant*innen?
- Passen die Bilder gut zum gesprochenen Text? Welche Informationen vermitteln die Bilder alleine? Gibt der Sprecher in dem Film Informationen, die durch die Bilder nicht visualisiert werden?
- Spielt Musik in dem Film eine Rolle? Wenn ja, welche?
Wahlplakat: Wien darf nicht Istanbul werden (FPÖ 2005)
Zum Umgang mit dem Medium: Plakate im Unterricht
Nachdem die FPÖ bei den Wiener Gemeinderatswahlen 1991 und 1996 plakatiert hatte, dass „Wien nicht Chicago werden“ dürfe, affichierte sie im Wahlkampf 2005 „Wien darf nicht Istanbul werden“. Die Partei setzte damit auch im Wahlkampf 2005 auf das Feindbild Ausländer*in und wendete sich – wohl auch vor dem Hintergrund der laufenden EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei – gezielt gegen Migrant*innen aus der Türkei.
Der neue FPÖ-Vorsitzende H.C. Strache setzte damit auf ein Wahlkampfthema, das die FPÖ schon in den Wahlkämpfen zuvor bedient hatte, gleichzeitig knüpfte er mit dem Slogan „Er sagt, was Wien denkt“ bei einem Wahlkampf-Slogan von Jörg Haider aus dem Nationalratswahlkampf 1994 an. Damals wurde das Portrait Haiders mit der Aussage „Er sagt, was wir denken“ bzw. mit dem Slogan „Sie sind gegen ihn, weil er für euch ist“ als „volksverbundener“ Politiker, quasi als „Verbündeter des Kleinen Mannes“ plakatiert.
Das Plakat wurde dem österreichischen Werberat als verhetzend und rassistisch zur Anzeige gebracht, ein Verfahren wurde jedoch nicht eröffnet, da sich der Werberat nur für Wirtschaftswerbung zuständig erklärte.
Zur Wiener Gemeinderatswahl vom 23. Oktober 2005
Bei den Gemeinderatswahlen vom 23. Oktober 2005 waren insgesamt 1.142.126 Wiener*innen wahlberechtigt. Von den insgesamt 694.515 abgegebenen Stimmen waren 679.565 Stimmen gültig. Die Wahlbeteiligung betrug 60,81 %.
Die gültig abgegebenen Stimmen verteilten sich folgendermaßen auf die kandidierenden Parteien:
- SPÖ: 333.611 der abgegebenen Stimmen (49,09 %) bzw. 55 Mandate
- ÖVP: 127531 der abgegebenen Stimmen (18,77 %) bzw. 18 Mandate
- Grüne: 99432 der abgegebenen Stimmen (14,63 %) bzw. 14 Mandate
- FPÖ: 100.780 der abgegebenen Stimmen (14,83 %) bzw. 13 Mandate
- KPÖ: 9.969 der abgegebenen Stimmen (1,47 %) bzw. 0 Mandate
- BZÖ: 7.824 der abgegebenen Stimmen (1,15 %) bzw. 0 Mandate
Den Einzug in den Wiener Gemeinderat schafften somit SPÖ, ÖVP, die Grünen und die FPÖ. Die SPÖ konnte gegenüber den Wahlen 2001 (46,91 % der Stimmen und 52 Mandate) zulegen, während ÖVP (2001 16,39 % der Stimmen und 16 Mandate), FPÖ (2001 20,26 % der Stimmen und 16 Mandate) und die Grünen (12,45 % der Stimmen und 11 Mandate) verloren. Die FPÖ, 2001 noch zweitstärkste Partei im Wiener Gemeinderat, rutschte somit auf Platz vier der stimmenstärksten Parteien im Wiener Gemeinderat.
Arbeitsaufgaben für Schüler*innen
Schaut euch das Plakat an, lest beistehenden Text und beantwortet danach folgende Fragen:
- Was sagt dir dieses Plakat?
- Wie lautet die Kernbotschaft des Plakats?
- Was ist auf dem Plakat zu sehen?
- Wer wird als Akteur sichtbar?
- Worauf wird der optische Schwerpunkt gelegt?
- Wer wirbt mit diesem Plakat?
- An wen richtet sich das Plakat?
- Was will das Plakat inhaltlich vermitteln?
- Tut es dies direkt oder indirekt?
- Spielt das Plakat mit Emotionen? Ruft das Plakat Emotionen hervor?
- Was soll durch das Plakat bewirkt werden? Was bewirkt es bei dir?