Im Zentrum dieses Abschnitts steht die Frage, wer die Träger*innen der Neuen sozialen Bewegungen, die „Basis“, ist und mit welchen Mitteln sie Öffentlichkeit herstellen.
Im ersten filmbasierten Teil können die Schüler*innen anhand von Austria Wochenschau-Beiträgen den Wandel in der Einstellung zur Atomkraft „nacherleben“, freilich gebrochen durch die Brille der Filmschaffenden. Für den ersten Teil ist es sehr nützlich, wenn jede*r Schüler*in einen eigenen Bildschirm zur Verfügung hat, denn dann lässt sich die Betrachtung der Filme in Form einer arbeitsteiligen Gruppenarbeit schnell bewerkstelligen: Jedes Mitglied der Gruppe analysiert einen der Filme anhand der erschließenden Fragen und erstellt dann ein Dokument, das im Vergleich diesen Wandel sichtbar macht. Anschließend präsentiert eine Gruppe ihre Ergebnisse, jeweils nach Abspielen eines Films, die anderen ergänzen bzw. korrigieren sie.
Auch das Hintergrundwissen zu diesem Wandel im zweiten Teil sollte arbeitsteilig erarbeitet werden, um die Fülle des Materials innerhalb einer vertretbaren Zeit bewältigen zu können.
Zum Medium und zum Umgang mit dem Medium im Unterricht: Die Austria Wochenschau
Arbeitsaufgaben für die Schüler*innen
Der Wandel der Einstellungen zur Atomkraft im Spiegel von Austria-Wochenschau-Beiträgen 1969–1978″
Seht euch die nachfolgenden Filme an und beantwortet jeweils folgende Fragen:
- Wer vertritt im Film die Befürworter*innen, wer die Gegner*innen des AKW?
- Welche Argumente werden im Film zur Frage der Errichtung eines AKW angeführt? Signalisiert der Film Zustimmung, Neutralität oder Ablehnung?
- Für welche Bilder haben sich Filmemacher*in bzw. Regisseur*in entschieden? Passen sie gut zum gesprochenen Text? Geben sie zusätzliche Informationen?
- Welche Rolle spielt die Musik im Film?
Energie der Zukunft, Austria Wochenschau 50/1969 (1.45 min)
Beitrag Nr. 7 in der Austria Wochenschau, Ausgabe Nr. 50/1969, 1.45 min
Ort: Österreich
Originaltext:
Eine leistungsstarke öffentliche Elektrizitätsversorgung ist Voraussetzung für die Wirtschaft eines Landes, Strom brauchen Betriebe und Haushalte. Ihn zu erzeugen ist Aufgabe der Stadtwerke, der Landesgesellschaften und die Verbundgruppe. Als Rohenergiequelle verwenden sie in ihren Kraftwerken meist Wasser, Kohle, Heizöl oder Erdgas. Die zunehmende Technisierung von Haushalt und Arbeitsplatz erfordert aber immer mehr elektrische Energie. Der Strombedarf unseres Landes wird im Jahre 1980 doppelt so groß sein wie heute. Deshalb müssen neue leistungsstärkere Kraftwerke errichtet werden, die mehr und vor allem billiger Strom erzeugen können, Atomreaktoren besitzen wir bereits in Österreich. Nun ist es den Bemühungen des Verkehrsministers Dr. Weiss zu danken, dass eine Einigung über die Errichtung einer Betriebsgesellschaft für ein Kernkraftwerk erzielt werden konnte. Es soll schon 1975 Atomstrom liefern. Das erste österreichische Kernkraftwerk wird etwa drei Milliarden Schilling kosten. Durch den Bau solcher leistungsstarker Kraftwerke wird auch eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit der gesetzlich organisierten Stromversorgergruppen Österreichs notwendig. Verhandlungen mit diesem Ziel wurden auf Initiative von Verkehrsminister Weiss bereits erfolgreich geführt.
Die Volksabstimmung über Zwentendorf, AW 43/1978
Beitrag Nr. 2 in der Austria Wochenschau, Ausgabe Nr. 43/78 (2.28 min)
Ort: Österreich
Originaltext:
Das Kernkraftwerk Zwentendorf – Österreichs zukünftig größte Energiequelle ist inzwischen, noch vor Inbetriebnahme, auch zur größten Streitquelle der Nation geworden. Seit Monaten tobt das Hin und Her in Form mehr oder weniger sachlicher Argumentation, Demonstration und Dokumentationen. Dem Streit soll nun ein Ende gesetzt werden: Im Sinne der Sicherheit, wie der Sprecher der Atomkraftwerksgegner, der Geologe Professor Tollmann, meint: „Aufgrund der Hearings im Parlament und aufgrund weiterer wissenschaftlicher Arbeiten ist heute eindeutig ergeben, dass das Gebiet von Zwentendorf mit dem AKW in einem Starkbebengebiet gelegen ist. Es kommt hinzu, dass der Grundwasserstrom direkt nach Wien hereinkommt und bei einer Verseuchung auch das gesamte Grundwasser in diesem Teil Österreichs verseucht werden würde.“ Befürworter argumentieren mit der Anzahl fertiger oder geplanter Atomreaktoren um Österreich. Nationalbank-Generaldirektor Kienzl: „Und schließlich sind auch bei Erdbeben in Süd-Deutschland die Kernkraftwerke klaglos in Betrieb, es hat keinen Unfall, ja nicht einmal die kleinste Betriebsstörung gegeben.“ Sicherheit im Betrieb des Reaktors ist zu wenig – es geht doch, so die Gegner, um die Endlagerung des Atommülls: „Schließlich ist noch ganz entscheidend, dass wir in Österreich kein Endlager finden. Die Berichte über eine Möglichkeit der Endlagerung im Mühlviertel oder im Waldviertel werden aufgrund der Satellitenbilder, die die Brüche zeigen, und aufgrund der geologischen Gegebenheiten widerlegt.“ „Jeder Österreicher, der am 5. November an der Volksabstimmung teilnehmen will, müsste folgendes bedenken. Es gibt seit 25 Jahren Kernkraftwerke. Insgesamt sind gegenwärtig 208 in Betrieb und es hat in all diesen Jahren, bei all diesen vielen Kernkraftwerken nicht einen einzigen Kernkraftwerksunfall im Werk gegeben, geschweige denn, dass die Bevölkerung zu Schaden gekommen wäre. Es gibt keine andere Stromproduktionstechnik, die so sicher ist wie die Kernkraftwerkstechnik.“
Eine Volksabstimmung soll über die Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes Zwentendorf entscheiden. Sie wird wie eine Nationalratswahl durchgeführt. Stimmberechtigt sind alle Österreicher, die das Wahlrecht besitzen.
Atomenergie: Gibt es echte Alternativen?, AW 27/1977
Beitrag Nr. 1 in der Austria Wochenschau, Ausgabe Nr. 27/77 (3.12 min)
Ort: Österreich
Originaltext:
Zwentendorf in Alarmbereitschaft: 4.000 Menschen nehmen an einer friedlichen Demonstration gegen die Inbetriebnahme des ersten österreichischen Atomkraftwerkes teil. Die Inbetriebnahme von Zwentendorf wird sich aus ökonomischen Gründen nicht vermeiden lassen: Eine Investition von sieben Milliarden Schilling ungenützt zu lassen, kann sich ein kleines Land wie Österreich nicht leisten. Aber vielleicht bleibt Zwentendorf Österreichs erstes und letztes Atomkraftwerk. Wird doch mittlerweile auf der ganzen Welt nach Alternativen zur Atomenergieversorgung geforscht. Alternativen, die vor allem eine ungefährlichere Nutzung der natürlichen Energiereserven der Erde zulassen, wie zum Beispiel aus unterirdischen Geysiren. Und dann gibt es noch den Wind als Energiequelle. Windmühlen werden heute schon in verschiedenen Ländern als Selbstbausätze für Heimwerker angeboten. Das neueste Modell dieser Art steht im amerikanischen Bundesstaat Ohio und heißt Windturbine. Sie erbringt die beachtliche Leistung von 100 Kilowatt. Die unerschöpflichste Energiequelle ist und bleibt aber die Sonne. Die herkömmlichste Methode der Sonnennutzung besteht darin, die Sonnenstrahlen zu konzentrieren, Wasser zu verdampfen, um dann mit dem Wasserdampf die Turbinen zu betreiben. Dadurch kann auch bei bedecktem Himmel durch die gespeicherte Sonnenenergie Strom produziert werden. Was in Israel schon gang und gebe ist, könnte auf der ganzen Welt Anwendung finden: die Errichtung von Sonnenkollektoren auf den Dächern der Häuser. Kernfusion mittels Laserstrahl ist jedoch der neueste Hit der Energieforschung. Das Prinzip besteht in einer kontrollierten Kernspaltung mittels Laserstrahl. Die dabei frei werdende Hitze wird in elektrischen Strom umgewandelt. Es bleibt abzuwarten, ob es der Wissenschaft gelingt, mit dem Laserstrahl die Energieprobleme zu lösen.
Abstimmung Zwentendorf: Das „NEIN“ kam überraschend, AW 46/78
Beitrag Nr. 2 in der Austria Wochenschau, Ausgabe Nr. 46/78 (1.43 min)
Ort: Österreich
Originaltext:
Volksabstimmung über die Inbetriebnahme des Atomkraftwerkes Zwentendorf. Pro- und Kontraargumente purzeln in den Tagen zuvor wild durcheinander. Gegner wie Befürworter appellieren zuweilen mehr ans Gefühl als an die Vernunft. Zu allen sachlichen Unwägbarkeiten kommt die Tatsache, dass es sich um die erste umfassende Volksabstimmung in Österreich handelt. In den Abendstunden des Abstimmungstages gibt Innenminister Lanc das Ergebnis bekannt: „Es waren stimmberechtigt 5,083.673 Österreicher. Abgegeben wurden von ihnen 3,259.118 Stimmen, das ist eine Beteiligung von 64,10%. Auf „Ja“ lauteten 1,576.839, das sind
49,53% der gültigen Stimmen. Auf „Nein“ lauteten 1,606.308 Stimmen, das sind 50,47% der gültigen Stimmen. Das im Nationalrat beschlossene und zur Abstimmung vorgelegte Gesetz ist damit nicht von der Mehrheit der Stimmbürger gutiert worden.“ Nun beginnt das große Kopfzerbrechen, auf welche Weise Österreichs Stromversorgung in der Zukunft sichergestellt werden kann.
Webquests für Schüler*innen
Wie ist der Wandel in der Beurteilung der Atomkraft zu erklären?
Die Schüler*innen sollen folgende Fragen mit Hilfe der angeführten Internetseiten beantworten:
a) Mit welchen Mitteln versuchen die Kernkraftwerksgegner*innen zu überzeugen?
- Welche Personen/Gruppen sind daran beteiligt?
- Welche Symbole benutzen sie?
- Stellt eine Liste von Aktionsformen zusammen.
→ Timeline: Das Atomkraftwerk Zwentendorf: Bau, Proteste, Volksabstimmung
→ Haus der Geschichte Österreichs
b) Der Einfluss der politischen Parteien:
- Worin wird in diesem Beitrag der Hauptgrund für die Ablehnung des AKW Zwentendorf gesehen?
c) Kabarett-Beitrag von Lukas Resetarits
- Wen oder was verspottet Lukas Resetarits in seinem Kabarett-Beitrag vom 26.2.1979?
- Mit welchen Mitteln? Wie ist die Anspielung mit den „Lausbuben“ zu verstehen?
Abschlussdiskussion in der Klasse
- Wie würdet ihr euch entscheiden, wenn sich heute eine politische Partei für eine Wieder-Inbetriebnahme des Kernkraftwerks einsetzte?