Internet und Demokratie
Mit den Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) sind für Bürger*innen und politische Akteur*innen innovative Kommunikations- und Kooperationsmöglichkeiten geschaffen worden. Insbesondere den neuen Entwicklungen im Internet (v.a. Social Media) werden ein hohes Potenzial zugesprochen, die politische Kommunikation und die demokratischen Institutionen wieder zu beleben und mithilfe von interaktiven Diskursplattformen, Informationsangeboten, Bürger*innenbeteiligungsprojekten bis hin zu elektronischen Abstimmungsverfahren zu mehr Transparenz, Deliberation und Partizipation zu führen. Im Gegensatz zu der durch Massenmedien hergestellten passiven Öffentlichkeit, die überwiegend durch professionelle Journalist*innen geprägt ist und nur wenig offenen politischen Diskurs kennt, sind die neuen Web 2.0.-Technologien vor allem offen für Formen der Kollaboration und Partizipation. Das Web 2.0 gibt den Nutzer*innen die Freiheit zurück, sich von den Themenvorgaben der Massenmedien zu lösen und wieder eigenständig über die Themen ihrer Kommunikation zu entscheiden. Damit spricht das Internet vor allem die heutige Gesellschaft an, die sich eben nicht aus einer großen Öffentlichkeit, sondern vielen Teilöffentlichkeiten zusammensetzt. Hauptmerkmale der neuen digitalen Medien sind die Verschmelzung von Produzent*innen und Konsument*innen und die Möglichkeit zwischen den Kommunikationsprinzipien zu wechseln: Zusätzlich zur Massenkommunikation (one-to-many) ermöglichen die Web 2.0-Technolgien die Kommunikation von mehreren Nutzer*innen untereinander (many-to-many) (Maier-Rabler 2012: 19).
E-Democracy
Der digitalen Beziehung von Bürger*innen und Staat, dem Konzept der E-Democracy (electronic democracy), wird in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle zugesprochen. E-Democracy wird dabei als eine Ergänzung zur repräsentativen Demokratie mit derselben hierarchischen Abstufung wie in der analogen Welt gedacht. Von ihr erhofft man sich nicht nur eine Wiederbelebung der politischen Kommunikation, sondern insgesamt eine Stärkung der Demokratie durch mehr Transparenz, Legitimation und Partizipation. Unter E-Democracy wird die „Umsetzung bzw. Unterstützung demokratischer Prozesse mittels digitaler Informations- und Kommunikationstechnologien“ (IKT) (Maier-Rabler: 20) verstanden. Die elektronische Durchführung der administrativ-demokratischen Prozesse (E-Government/E-Administration) sowie sämtliche Formen von Onlinebeteiligungen (E-Participation) und die elektronisch gestützten Wahlen (E-Voting) bilden Unterkategorien der E-Democracy.
Für die Stimmabgabe per Internet (E-Voting) fehlt in Österreich und anderen europäischen Staaten trotz zunehmender Pilotversuche mit E-Voting-Systemen bislang noch die rechtliche Grundlage. Zu den Gründen für die fehlende Umsetzung zählen technische Unsicherheiten und Manipulationsanfälligkeit von Online-Wahlen. Diese Schwachstellen wurden in Österreich durch diverse E-Voting-Projekte z.B. bei Hochschülerschaftswahlen 2009 bestätigt. Estland gilt als Vorbild in Sachen E-Voting. So konnten 2007 und 2011 die Bürger*innen bei den Parlamentswahlen auch online ihre Stimme abgeben. Insgesamt werden in Europa und Österreich aber zunehmend die Voraussetzungen für Online-Wahlen geschaffen. Man verspricht sich von Online-Wahlen vor allem eine Erhöhung der Wahlbeteiligung, insbesondere bei der jüngeren Generation.
E-Government gliedert sich hauptsächlich in die Bereiche der elektronischen Verwaltung und der digitalen Konsultation. Dadurch soll der politische Betrieb optimiert, Ressourcen eingespart und Transparenz geschaffen, die administrativen Prozesse vereinfacht und den Bürger*innen mehr Service angeboten werden. Der Begriff „Open Government“ steht hierbei als Synonym für die Öffnung von Staat und Verwaltung gegenüber der Bevölkerung und der Wirtschaft. Damit zusammenhängend steht die Bezeichnung „Open Data“, die für die Idee steht, aus der öffentlichen Hand gereichte Daten für jeden verfügbar und zugänglich zu machen.
Als E-Partizipation werden internetgestützte Verfahren bezeichnet, die die Einbeziehung von Bürger*innen in politische und gesellschaftliche Entscheidungsprozesse ermöglichen. Zur E-Partizipation gehören überwiegend bottom-up-Bewegungen („von unten“), in der Bürger*innen oder NGOs z.B. anhand von Onlinepetitionen in Entscheidungsprozessen teilhaben. Als wesentliches Ziel soll mithilfe der E-Partizipation eine gerechtere und partizipativere Gesellschaft und eine möglichst hohe Inklusion ermöglicht werden.
Herausforderungen: Digital divide – democratic divide
In der Zielsetzung der E-Democracy jedem die Möglichkeit zu geben, sich zu beteiligen, liegt zugleich die Herausforderung der E-Democracy: Das Problem der infrastrukturellen und gesellschaftlichen Ungleichheit. Der Begriff digital divide weist auf den ungleichen Zugang zu Informations- und Kommunikationstechnologien entlang sozialer Trennlinien hin (Maier-Rabler/Huber/Schmid 2012: 21). So verfügen mittlerweile 75 Prozent aller österreichischen Haushalte über einen Internetzugang (Statistik Austria). Die Unterteilung in Altersgruppen und Geschlecht zeigt jedoch, dass zwischen den digital natives, also junge Menschen, die mit dem Internet aufgewachsen sind, im Gegensatz zu den digital immigrants, die die neuen Medien erst im Erwachsenenalter zu nutzen gelernt haben, eine große Kluft gibt. Gleichzeitig besteht eine bildungspolitische Herausforderung durch das Entstehen eines neuen democratic divide, also die Gefahr der Herausbildung einer neuen demokratischen Elite, die über höhere Bildung und Kompetenz im Umgang mit den neuen Technologien besitzt. Um dies zu vermeiden, sind nachhaltige Maßnahmen für Jugendliche und Erwachsene im Bereich der politischen Bildung, wie z.B. eine demokratische Vermittlung der partizipativ-demokratischen Anwendungsmöglichkeiten der neuen Kommunikations- und Informationstechnologien, notwendig (Maier-Rabler/Huber/Schmid 2012: 21). Nur wenn es gelingt, diese sozialen Trennlinien zu beseitigen und einen gleichberechtigten Zugang zum Internet zu schaffen, kann garantiert werden, dass elektronisch gestützte Demokratie die Qualität einer Demokratie stärkt anstatt sie zu vermindern.