Zehn Jahre nach der Veröffentlichung der Karikaturen in der dänischen Tageszeitung Jyllands-Posten rücken erneut Cartoonist*innen in den Fokus der Öffentlichkeit. Hintergrund sind die Terroranschläge auf das Redaktionsgebäude der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo in Paris. Bei dem Anschlag am 7. Jänner 2015 drangen zwei schwer bewaffnete Attentäter in die Redaktion von Charlie Hebdo im Zentrum von Paris ein und töteten zwölf Menschen. Bei einer anschließenden Geiselnahme in einem jüdischen Supermarkt und einer Druckerei wurden weitere Menschen getötet. Unter den Opfern befanden sich der Gründer des Magazins, der Chefredakteur und weitere Cartoonisten, die zu den berühmtesten in Frankreich zählten. Die zwei Täter bekannten sich zur Terrororganisation Al-Qaida im Jemen, ihr Verbündeter, der vier Menschen bei einer Geiselnahme in einem jüdischen Supermarkt tötete, bekannte sich hingegen telefonisch zum sogenannten „Islamischen Staat“.
Charlie Hebdo ist das bedeutendste Satire-Magazin Frankreichs und war eine der wenigen Zeitungen, die die umstrittenen Karikaturen der Jyllands-Posten veröffentlichten. Die Zeitung wurde bereits am 2. November 2011 Ziel eines Anschlags, bei dem in der Nacht ein Molotow-Cocktail die Räumlichkeiten der Redaktion zerstörte. Bei diesem Brandanschlag gab es jedoch keine Verletzten, obgleich am selbigen Tag Drohungen gegen die gesamte Redaktion eingegangen waren. Auslöser war ein Sonderheft von Charlie Hebdo, welches sich mit dem Wahlerfolg der Islamisten in Tunesien beschäftigte. Das Magazin benannte sich hierzu in „Scharia Hebdo“ um und gab als Chefredakteur den islamischen Propheten Mohammed an.
Islam oder Islamismus?
Weltweit zeigten sich Millionen Menschen solidarisch mit den Opfern des Angriffs. „Paris ist heute die Hauptstadt der Welt“, sagte der französische Präsident François Hollande im Rahmen eines Trauermarsches, der von zahlreichen internationalen Politiker*innen, darunter ca. 50 Staats- und Regierungschef*innen, und insgesamt von etwa 1,6 Millionen Menschen bestritten wurde. Hierbei sollte auch ein Zeichen des Zusammenhaltes und des öffentlichen Eintretens für die Presse- und Meinungsfreiheit gesetzt werden. Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck betonte, es gebe nichts, was ein solches Verbrechen rechtfertigen könnte. Man müsse sich für Menschenrechte, Freiheit und Demokratie einsetzen und diese schützen.
Auch die muslimischen Länder verurteilten die Anschläge; so erklärte die Arabische Liga: „Der Islam prangert jede Gewalt an“. Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGIÖ) bekräftigte die Wichtigkeit von Presse- und Meinungsfreiheit als Säulen des demokratischen Rechtsstaats in Europa. Eine unerwünschte Meinung rechtfertige niemals die Anwendung von Gewalt. Die iranische Außenamtssprecherin Marsieh Afcham erklärte, Terroranschläge gegen unschuldige Menschen hätten nichts mit dem Islam zu tun und seien daher inakzeptabel. Nichtsdestotrotz fügte sie hinzu, dass Beleidigungen von Religionen unter dem „Deckmantel der Meinungsfreiheit“ ebenso inakzeptabel seien. Sowohl der Präsident der Arab Publishers Association, Assem Shalaby, als auch der Präsident des Dachverbandes für muslimische Kultur in Frankreich verurteilten den Anschlag auf das Satiremagazin als einen „barbarischen Akt“. Ebenso wie die Gelehrten der Al-Ashar-Universität in Kairo stellten sie klar, der Terroranschlag widerspreche den Prinzipien des Islam. Die islamische Religion entspreche nicht dem Verhalten der Attentäter, die, laut eigener Aussagen, in ihrem Namen handelten.
Die beiden Attentäter hatten bei ihrem Überfall auf die Redaktion „Allah Ahkbar!“ (Gott ist groß!) und „wir haben den Propheten gerächt“ gerufen. Dies führte zu einer europaweiten Diskussion über radikalen Islamismus und den Islam selbst. Vor allem rechtspopulistische Bewegungen wie PEGIDA in Deutschland oder die britische Partei UKIP sahen sich in ihrer Politik bestätigt. Sie plädierten weiterhin dafür die Immigration von muslimischen Flüchtlingen zu stoppen und machten den islamischen Glauben für den Anschlag in Paris verantwortlich. Der deutsche Bundesinnenminister Thomas de Maizière sprach infolgedessen von einem Missbrauch der Terroranschläge. Auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel warnte davor, sich den PEGIDA – Demonstrationen anzuschließen. Eine der stärksten Stimmen gegen die Gruppierung kommt vom Satiremagazin Charlie Hebdo selbst: PEGIDA versuche auf zynische Weise die Attentate zu instrumentalisieren. PEGIDA stehe für all das, was die Kollegen durch ihr Werk bekämpft hätten.
Stimmen aus Österreich
Auch österreichische Politiker*innen verurteilten den Terroranschlag auf das Satiremagazin Charlie Hebdo stark. Der damalige Bundesminister für Kunst und Kultur Josef Ostermayer (SPÖ) zeigte sich zutiefst betroffen. Er hielt in einer Stellungnahme fest, dass es sich hier um „einen Anschlag auf die Meinungsfreiheit und die Freiheit der Medien, einen Anschlag auf die Werte der Aufklärung, der modernen freien Welt und die Grundwerte der Menschlichkeit handelt“. Der Außenminister Sebastian Kurz unterstrich ebenfalls die Bedeutung der Presse- und Meinungsfreiheit (ÖVP). Der Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) betonte die Wichtigkeit, „mit aller Kraft in Richtung Aufklärung und Gegenstrategie gegen den Terror zu arbeiten“. Man müsse die „Freiheit bewahren, Toleranz unterstützen, Terror bekämpfen“. Deutlichere Worte fand die EU-Abgeordnete der FPÖ Barbara Kappel: „Dieser feige Terrorakt, verübt von Fanatikern, die keinerlei Respekt vor unseren Werten zeigen, bedeutet nicht nur eine Bedrohung Frankreichs, sondern ganz Europas.“ Auch der Bundesparteiobmann der FPÖ Heinz-Christian Strache betonte: „Es handle sich hier um einen brutalen Anschlag auf die freie Meinungsäußerung und auf die Werte der demokratischen Welt.“ Der Sicherheitssprecher der Grünen Peter Pilz hingegen setzte den Terroranschlag auf das Satiremagazin in den historischen Kontext: „Terrorismus hat in der Europäischen Union, in Frankreich und Österreich keine Chance. Das war zu Zeiten der RAF, der Al-Kaida und des IS so und wird auch in Zukunft so bleiben.“ Er machte zwei Faktoren aus, die zur Häufung von Terroranschlägen in Europa führen: Zum einen „die Teilnahme an Kriegen in sensiblen Regionen, was auf Österreich nicht zutrifft“, und zum anderen eine „misslungene und versäumte Integration“. In der Integrationspolitik bestehe massiver Handlungsbedarf.
Beleidigung oder Meinungsfreiheit?
In der Woche nach den Anschlägen wurde trotz aller Geschehnisse die neue Charlie Hebdo Ausgabe veröffentlicht. Das Titelbild zeigte den trauernden Propheten Mohammed, der ein Schild mit der Aufschrift „Je suis Charlie“ in den Händen hält. Auch zahlreiche weitere Karikaturen der Ausgabe betreffen den Islam und den Propheten Mohammed, was in den muslimischen Ländern zu erheblichen – teils gewaltvollen – Protesten führte. So gingen allein in der Türkei etwa 70.000 Menschen auf die Straße um gegen die als blasphemisch angesehenen Karikaturen zu demonstrieren. Sie fühlten sich in ihrem Glauben beleidigt und empfanden die Karikaturen als Verunglimpfung ihrer Religion. Jedoch sind Presse- und Meinungsfreiheit wichtige Grundprinzipien eines demokratischen Rechtsstaats. Hier gilt es zu diskutieren, ob Satire Grenzen haben sollte oder nicht und wenn ja, woran diese festgemacht werden sollten. Es ist jedenfalls dringend notwendig, eine solche Diskussion gewaltfrei zu führen.