Menschenrechte in Afrike, Nord- und Südamerika und in den Staaten der Arabischen Liga

Die Durchsetzbarkeit von Menschenrechten funktioniert von Land zu Land verschieden gut, was zu einem großen Teil auch durch die kolonialen Bestrebungen Europas herbeigeführt wurde. Dieses Modul soll kurz aufzeigen, wie die Durchsetzung von Menschenrechten in anderen Ländern oder Kontinenten verläuft.

Die Afrikanische Menschenrechtscharta

1986 trat die von der Organisation of African Unity (OAU) ausgearbeitete Afrikanische Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker in Kraft, die im Unterschied zum europäischen Menschenrechtsgedanken nicht nur individuelle, sondern auch kollektive Rechte enthält – etwa das Recht auf Entwicklung, Frieden und Solidarität, aber auch das sogenannte „Selbstbestimmungsrecht der Völker“ (Text der Afrikanischen Charta). Wirtschaftliche, kulturelle und soziale Rechte werden hier als Garantie für die Ausübung politischer Rechte betrachtet. Die Charta enthält gleichzeitig auch einen Katalog von Pflichten des*der Einzelnen gegenüber der Gemeinschaft fest. Was die Meinungs- und Pressefreiheit betrifft, enthält Artikel 9 der Charta einen generellen Gesetzesvorbehalt:

„(1) Jedermann hat das Recht auf Information.

(2) Jedermann hat das Recht, im Rahmen der Gesetze seine Meinung zu äußern und zu verbreiten.“ (zit. nach ebd.)

Neben der schwachen Ausgestaltung der individuellen politischen Rechte war an der Afrikanischen Charta vor allem ihre geringe Durchsetzbarkeit lange Zeit problematisch. 1998 wurde die Einrichtung des African Court of Human and Peoples‘ Rights (ACHPR) bei der African Union (AU, vormals OAU) beschlossen. Seit 1. Jänner 2004 ist das entsprechende Protokoll in Kraft, nachdem 15 Mitgliedsstaaten der African Union es ratifizierten. Nach einigen politischen Verwicklungen wurden im Frühjahr 2006 die ersten 11 Richter*innen des African Court on Human and Peoples‘ Rights bestimmt, die im Juli 2006 zu einer ersten Sitzung zusammentrafen (nähere Informationen zum ACHPR; Text des Protokolls zu seiner Einrichtung). Der African Court of Human and Peoples‘ Rights ist mit relativ weitgehenden Möglichkeiten ausgestattet: Er kann nicht nur die Afrikanische Menschenrechtscharta, sondern auch alle relevanten Menschenrechtsdokumente auf UN-Ebene, die ein betroffener Staat unterzeichnet hat, heranziehen. Damit würde für einen großen Teil dieser internationalen Abkommen weltweit erstmals eine rechtliche Sanktionsmöglichkeit geschaffen.

Obwohl die Gründung des ACHPR als wichtiger Schritt in der Stärkung der Menschenrechte in Afrika gesehen wurde, gab es vor allem anfangs Frust über dessen Wirksamkeit. Das erste Urteil wurde erst nach elf Jahren gefällt, was zum Teil den Grund hatte, dass das Protokoll nicht von genügend Staaten ratifiziert wurde. Auch die fehlende Effizienz zwischen African Court and African Commission of Human and People’s Rights spielte hier eine große Rolle.

(Weitere Information zu – insbesondere im Flüchtlingsbereich sehr umfassenden – afrikanischen Menschenrechts-Dokumenten bei der Human Rights Library der University of Minnesota).

Amerikanische Dokumente

Für den amerikanischen Doppelkontinent sind vor allem zwei Dokumente hervorzuheben: Die American Declaration of the Rights and Duties of Man (Text der Declaration) von 1948, eine rechtlich nicht verbindliche Erklärung, die aber von der Organization of American States (OAS) in ihre Zielvorstellungen aufgenommen wurde, und die 1978 in Kraft getretene American Convention on Human Rights (Text der Convention). Das zweite Dokument, das mit der Inter-American Commission on Human Rights in Washington, D.C., und dem Inter-American Court on Human Rights in San José (Costa Rica) auch Mechanismen zur Verurteilung von Menschenrechtsverletzungen vorsieht, wurde allerdings nicht von allen Mitgliedsstaaten der OAS unterzeichnet. Individuen können nur vor der Kommission Beschwerde einlegen, die – wenn keine gütliche Einigung zwischen den Betroffenen erzielt wird – ihrerseits den Gerichtshof anrufen oder einen Bericht veröffentlichen kann (ausführlichere Informationen auf der Website der OAS). In Bezug auf die Informations- und Meinungsfreiheit und ihre mögliche Einschränkung ist die American Convention of Human Rights detaillierter ausgestaltet als vergleichbare Dokumente:

„1. Everyone has the right to freedom of thought and expression. This right includes freedom to seek, receive, and impart information and ideas of all kinds, regardless of frontiers, either orally, in writing, in print, in the form of art, or through any other medium of one’s choice.

2. The exercise of the right provided for in the foregoing paragraph shall not be subject to prior censorship but shall be subject to subsequent imposition of liability, which shall be expressly established by law to the extent necessary to ensure:

  1. respect for the rights or reputations of others; or
  2. the protection of national security, public order, or public health or morals.

3. The right of expression may not be restricted by indirect methods or means, such as the abuse of government or private controls over newsprint, radio broadcasting frequencies, or equipment used in the dissemination of information, or by any other means tending to impede the communication and circulation of ideas and opinions.

4. Notwithstanding the provisions of paragraph 2 above, public entertainments may be subject by law to prior censorship for the sole purpose of regulating access to them for the moral protection of childhood and adolescence.

5. Any propaganda for war and any advocacy of national, racial, or religious hatred that constitute incitements to lawless violence or to any other similar action against any person or group of persons on any grounds including those of race, color, religion, language, or national origin shall be considered as offenses punishable by law.“ (oas.org)

Islamische Menschenrechtdokumente

Gerade im Zusammenhang mit den aktuellen Auseinandersetzungen um die Meinungsfreiheit im „Karikaturenstreit“ ist die Frage nach der regionalen Verankerung von Menschenrechten im islamischen/arabischen Raum interessant. Hier liegen zwei Dokumente vor, aus denen sich bereits einige grundlegende Differenzen zum europäischen Menschenrechtsgedanken ableiten lassen. Die vom Rat der Liga der Arabischen Staaten (Website der Arabischen Liga) 1994 verabschiedete Arabische Charta der Menschenrechte (Text der Charta) ist zunächst als politisches Dokument mit deutlich anti-israelischer Stoßrichtung zu lesen. Schon in der Präambel wird der Zionismus in einem Atemzug mit Rassismus verurteilt und als „Bedrohung des Weltfriedens“ eingestuft, und in Artikel 1 wird festgehalten, dass „Rassismus, Zionismus, Besetzung und Fremdherrschaft […] eine Herausforderung der Menschenwürde [sind] und […] ein grundlegendes Hindernis für die Verwirklichung der grundlegenden Rechte der Völker [bilden]“ (ebd.). Bemerkenswert ist auch, dass sich die Präambel positiv auf das religiöse Recht, die Scharia, bezieht – folgerichtig ist auch die Todesstrafe mit der Charta vereinbar, solange sie „nur für schwerste Verbrechen“ verhängt wird. Dieser Bezug auf ein religiöses Rechtssystem, dem etwa die Gleichberechtigung von Männern und Frauen fremd ist, steht im Widerspruch zur europäischen Auffassung von Menschenrechten. Die Meinungsfreiheit wird von der Charta in zwei Artikeln (gemeinsam mit der Religionsfreiheit) abgehandelt.

Hier heißt es:

„Artikel 26

Jeder hat das Recht auf Religions-, Gedanken- und Meinungsfreiheit.

Artikel 27

[…] Die Ausübung der Religions-, Gedanken- und Meinungsfreiheit darf nur den gesetzlich vorgesehenen Einschränkungen unterworfen werden.“ (ebd.)

Noch deutlicher wird der Unterschied, wenn die bereits 1981 vom Islamic Council verabschiedete Universal Islamic Declaration of Human Rights herangezogen wird (Text der Universal Islamic Declaration). Schon im Vorwort führt die Deklaration unmissverständlich Gott als „Law Bringer“, auf den alle Menschenrechte zurückgingen, ein. Koran und Sunnah werden zum „legal and moral framework within which to establish and regulate human institutions and relations“, „rationality by itself“ (ebd.) wird als Fundament für die Begründung von Rechten abgelehnt. Auch wenn die Menschenrechte hier aus einer Religion abgeleitet werden, gibt sich die Deklaration nichtsdestotrotz einen universellen Anspruch. In Bezug auf das Recht auf Meinungsfreiheit legt die Deklaration ausführliche Bestimmungen fest, die bereits relativ weitgehende Einschränkungen dieses Rechts beinhalten:

„XII – Right to Freedom of Belief, Thought and Speech

  1. Every person has the right to express his thoughts and beliefs so long as he remains within the limits prescribed by the Law. No one, however, is entitled to disseminate falsehood or to circulate reports which may outrage public decency, or to indulge in slander, innuendo or to cast defamatory aspersions on other persons.
  2. Pursuit of knowledge and search after truth is not only a right but a duty of every Muslim.
  3. It is the right and duty of every Muslim to protest and strive (within the limits set out by the Law) against oppression even if it involves challenging the highest authority in the state.
  4. There shall be no bar on the dissemination of information provided it does not endanger the security of the society or the state and is confined within the limits imposed by the Law.
  5. No one shall hold in contempt or ridicule the religious beliefs of others or incite public hostility against them; respect for the religious feelings of others is obligatory on all Muslims.“ (ebd.)

In Bezug auf die Auseinandersetzung im „Karikaturenstreit“ ist besonders der letzte Punkt interessant, der einen besonderen Schutz für die religiöse Sphäre einführt.

 

Stefanie Mayer

(Letztes Update: 08/2021)