Die Anzahl von Demokratie-Initiativen, die die Forderungen nach mehr direkte Demokratie in Österreich vorantreiben, hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Sie beziehen sich sowohl auf einen rechtlichen Ausbau als auch auf den vermehrten Einsatz der direktdemokratischen Instrumente in Österreich. Auf der einen Seite werden die Initiativen von prominenten (Alt-)Politiker*innen, Persönlichkeiten und Expert*innen unterstützt, auf der anderen Seite von engagierten Bürger*innen. Insbesondere zivilgesellschaftliche Initiativen haben an Gewicht und Bedeutung gewonnen. Sie stehen zugleich als Zeichen für ein verstärktes zivilgesellschaftliches Engagement und Interesse der Bürger*innen an einer Mitwirkung im Rahmen politischer Entscheidungsprozesse. Mit ihren Forderungen und Aktivitäten tragen die Demokratie-Initiativen zu einer Neubelebung der öffentlichen bzw. Fachdiskussion über direkte Demokratie und Bürgerbeteiligung bei (Poier 2012: 126f). Insgesamt ist die Debatte über eine österreichische Demokratiereform durch einen regen Austausch der Politik mit den Vertreter*innen der Demokratie-Initiativen und der Zivilgesellschaft gekennzeichnet.
Eine Auswahl aktiver Demokratie-Initiativen
Mehr Demokratie Österreich
Mehr Demokratie Österreich wurde 2006 von einer Gruppe politisch engagierter Grazer Student*innen gegründet. Seitdem setzt sich die überparteiliche und parteiunabhängige Organisation für eine Demokratisierung auf allen politischen Ebenen und in allen gesellschaftlichen Bereichen ein. Ihr Hauptziel ist die Stärkung der direkten Demokratie von unten, vor allem durch Volksabstimmungen, die von Bürger*innen initiiert werden können. Vorstandssprecher von Mehr Demokratie ist Erwin Mayer, der auch in der Öffentlichkeit als Experte für direkte Demokratie auftritt. Die Initiative arbeitet partnerschaftlich mit der deutschen Schwesterorganisation Mehr Demokratie e.V. (1988) zusammen und schlägt dessen Modell einer dreistufigen Volksgesetzgebung auch für Österreich vor. Im Bezug auf die geplante Demokratiereform fordert die österreichische Demokratie-Initiative eine Einbindung der Bürger*innen in die Debatte und eine Ausgestaltung „von der Bevölkerung für die Bevölkerung“, z.B. im Rahmen einer Bürger*innenversammlung, die einen Alternativvorschlag zur Reform vorlegt.
Die Piratenpartei Österreichs
Die österreichische Sektion der internationalen Piraten-Bewegung, welche auf verstärkte Einbeziehung der neuen Technologien zur Feedback-Gewinnung setzt (liquid democracy) und ebenfalls alte Strukturen aufbrechen will. Datenschutz, Schutz der Privatsphäre und ein bedingungsloses Grundeinkommen gehören ebenso zu den Forderungen der Piratenpartei Österreichs wie die Reform des Wahlsystems und die Stärkung der direkten Demokratie.
Aktion 21 – Pro Bürgerbeteiligung
Aktion 21 – Pro Bürgerbeteiligung ist ein überparteilicher und unabhängiger Dachverband von Bürgerinitiativen, der mit dem Ziel gegründet wurde, eine wirksamere Beteiligung der Bevölkerung an allen kommunalen Vorhaben und Planungen durchzusetzen. Ursprünglich auf Wien begrenzt, vereinigt die Plattform Aktion 21 Austria – Pro Bürgerbeteiligung alle Beiträge der österreichischen Bundesländer und trägt damit zu einer bundesweiten Vernetzung der österreichischen Bürgerinitiativen bei.
Initiative Zivilgesellschaft
Mit dem Ziel der Bündelung aller am Gemeinwohl orientierten zivilgesellschaftlichen Kräfte wurde 2005 die Initiative Zivilgesellschaft gegründet, die sich neben Reformen des demokratischen Systems (Dreistufige Volksgesetzgebung, Demokratisierung der EU – Wiener Appell) auch sozialpolitische (bedingungsloses Grundeinkommen) sowie ökologische (globale Wiederaufforstung, nachhaltiger Lebenswandel, ökologischer Fußabdruck) Ziele gesetzt hat. Angestrebt wird, viele NGOs und engagierte Einzelpersonen unter einem Dach zu vereinen, um so einerseits die öffentliche Wahrnehmung der Forderungen aus der Zivilgesellschaft zu steigern und andererseits viele zukunftsweisende Vorschläge zu sammeln und somit zur Verbesserung der Gesellschaft und des politischen Systems beitragen zu können.
Investieren in die Zivilgesellschaft – die Plattform respekt.net
Die Plattform respekt.net besteht seit 2009 und bietet lokalen ebenso wie nationalen Initiativen und Projekten die Möglichkeit, sich vorzustellen und um Unterstützung zu werben: User*innen können auf verschiedene Arten in die Zivilgesellschaft „investieren“: durch eine Spende, durch ehrenamtliches Engagement oder das Beisteuern von (Experten-) Wissen und praktischer Erfahrung. Wichtiges Kriterium ist dabei die Transparenz von Zielen, Arbeitsweisen und auch Budget der durch User*innen unterstützen Projekte.
Ein bereits erfolgreich unterstütztes Projekte ist unter anderem die Plattform meineabgeordneten.at, welche Einkünfte, Unternehmensbeteiligungen und ähnliche Informationen über Abgeordneten zu Landtagen, Nationalrat, Bundesrat und Europäischem Parlament recherchiert. Dadurch soll insgesamt eine Kultur der Transparenz in Österreich gestärkt werden und außerdem mögliche Interessenskonflikte von Politiker*innen sichtbar gemacht werden.
Auch die IG-Demokratie, welche sich für eine möglichst breite und umfassende Einbindung der Bevölkerung in demokratische Prozesse und Entscheidungen starkmacht, wurde über die Plattform respekt.net unterstützt.
IG Demokratie
Die Interessensgemeinschaft Demokratie ist ein eingetragener Verein, welcher sich für die Förderung der demokratischen Kultur einsetzt. Dabei werden nicht nur partizipative und konsultative politische Prozesse gefördert, sondern auch Wissen darüber vermittelt.
Letzteres erfolgt zum Beispiel durch die sogenannten Demokratie Repaircafés. Diese werden sowohl an Schulen – oft für Erstwähler*innen – als auch in der Erwachsenenbildung, Hochschulen, bei Kongressen oder im öffentlichen Raum abgehalten. Zusätzlich beschäftigt sich die IG Demokratie mit mehreren Projekten, wie zum Beispiel dem Projekt „Zukunftsrat Demokratie“.
Initiative Mehrheitswahlrecht und Demokratiereform
Die Initiative Mehrheitswahlrecht und Demokratiereform gründete sich im April 2008 als eine „überparteiliche zivilgesellschaftliche Gruppe von Österreicherinnen und Österreichern, die eine lebendigere Demokratie durch ein persönlichkeitsorientiertes und mehrheitsförderndes Wahlrecht zum Ziel hat“. Obmann des Vereins ist der Jurist, ehemalige ÖVP-Klubchef und zweite Nationalratspräsident Heinrich Neisser. Die Initiative wird u.a. von mehreren prominenten (ehemaligen) Politiker*innen und Verfassungsjurist*innen, darunter Klaus Poier und Theo Öhlinger, unterstützt. Die Initiative trägt vor allem durch Aufklärung und sachliche Information zum Thema Direkte Demokratie zur politischen Diskussion bei und fördert insbesondere einen Austausch zwischen Politik und den Expert*innen. Der in enger Zusammenarbeit mit Expert*innen entstandene Demokratiebefund 2020 arbeitet die aktuelle Entwicklung und Perspektiven der österreichischen Demokratie heraus.