Ein friedliches Europa – die Anfänge der Europäischen Integration
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war vielen Politikerinnen und Politikern klar, dass die Unterteilung Europas in verschiedene, teils miteinander verfeindete Nationalstaaten und der Mangel an kontinuierlichen friedlichen und konstruktiven Beziehungen zwischen den Staaten wichtige Gründe für die blutigen und immer wieder ausbrechenden Kriege in Europa waren.
Am 9. Mai 1950 – dieser Tag wird heute als Europatag gefeiert – stellte der damalige französische Außenminister Robert Schuman seine Vision eines dauerhaft friedlichen Europas vor. Dieser Friede sollte geschaffen und gesichert werden, indem neue gemeinsame Interessen der Nationalstaaten („europäische“ Interessen) entwickelt werden. Außerdem sollte die für die Kriegsführung ausschlaggebende Industrie der europäischen Länder, nämlich die Kohle- und Stahl-Verarbeitung, gemeinsam verwaltet werden. Damit konnte sichergestellt werden, dass die europäischen Staaten ihre Rüstungsindustrie nicht mehr gegeneinander einsetzen. Ein wichtiger Schritt zur Verhinderung neuer Kriege innerhalb Europas war damit getan. Im Juli 1952 trat der Vertrag der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) in Kraft. Gründungsmitglieder waren Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und die Niederlande. Nachdem der erste Schritt des „Friedensprojekts“ Europa erfolgreich angelaufen war, konnte der nächste Schritt gesetzt werden: 1958 wurden die so genannten „Römer Verträge“ unterzeichnet, mit denen einerseits die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und andererseits die Europäische Atomgemeinschaft (EURATOM) gegründet wurden. Der EWG-Vertrag sieht die Schaffung eines gemeinsamen Marktes, einer Zollunion und gemeinsamer Politiken in weiteren, verwandten Bereichen vor. Damit war der Grundstein für die folgende, dynamische Weiterentwicklung und schrittweise Vertiefung der europäischen Integration gelegt.
Die Gemeinschaft wächst …
Bald zeigte die wirtschaftliche Zusammenarbeit erste Früchte: 1968 wurden die Binnenzölle in der EWG abgeschafft. Das bedeutet, dass die Mitgliedsstaaten der EWG untereinander keine Zölle einheben. Dadurch wurde der Handel zwischen den Staaten erleichtert und gleichzeitig angekurbelt. Daneben wurde ein gemeinsamer Außenzoll der EWG-Staaten eingeführt, wodurch auch der Handel zwischen der EWG und Drittstaaten erleichtert wurde. 1973 kam es zur ersten Erweiterung der EWG: Dänemark, Irland und Großbritannien wurden in die Gemeinschaft aufgenommen. Bereits 1974 wurde auch der Europäische Fonds für regionale Entwicklung gegründet. Dieser sollte ärmeren, benachteiligten Regionen der Gemeinschaft finanziell helfen, um ihre Infrastruktur (z.B. Straßen, Bahnnetze etc.) auszubauen. Europa sollte ein Raum von gleichermaßen wohlhabenden Staaten sein und die zwischenstaatliche Solidarität fördern. Auch dieser Schritt sollte zur Wahrung und Stärkung des Friedens und der freundschaftlichen Beziehungen zwischen den europäischen Staaten beitragen.
1979 wurde das Europäische Parlament (EP) zum ersten Mal direkt gewählt.
… und wächst
1981 trat Griechenland der EWG bei, 1986 Spanien und Portugal. 1987 wurde das Erasmus-Programm ins Leben gerufen. Damit wurde und wird es Student*innen erleichtert, innerhalb Europas an verschiedenen Universitäten zu studieren und wichtige Erfahrungen zu sammeln.
1989 fiel die Berliner Mauer und in Folge die kommunistischen Regime Osteuropas. Dies bedeutete natürlich auch für die Europäische Gemeinschaft viele Neuerungen und Veränderungen.
1995 traten Finnland, Österreich und Schweden der Union bei. Im selben Jahr wurde auch das Schengener Übereinkommen unterzeichnet. Die teilnehmenden Mitglieder hoben schrittweise die Personenkontrollen an den Grenzen auf.
2000–2017: Eine gemeinsame Währung und gemeinsame Herausforderungen
Mit 1. Januar 2002 wurde der Euro als gemeinsame Währung in zwölf Ländern eingeführt: Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Österreich, Portugal und Spanien. Mit Stand 2022 sind 19 Staaten Teil der Eurozone: Estland, Litauen, Lettland, Malta, Slowakei, Slowenien und Zypern sind seit der Einführung des Euro ebenfalls der gemeinsamen Währung beigetreten.
Im Mai 2004 traten Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, die Tschechische Republik, Ungarn und Zypern der Union bei. Damit wurde die Trennung Europas in Ost und West endgültig überwunden. Mit 1. Januar 2007 wurden auch Rumänien und Bulgarien in die EU aufgenommen. Am 1. Juli 2013 trat Kroatien als bisher letzter Staat der EU bei. Nach einem Referendum im Jahr 2016, bei dem sich knapp 52 Prozent der wahlberechtigten Brit*innen für einen Austritt aus der Europäischen Union aussprachen, schied Großbritannien nach langen Verhandlungen am 31. Jänner 2020 aus der EU aus.
Seit ihrer Gründung in den 1950er Jahren ist die Europäische Union nicht nur geografisch gewachsen, es wurden auch immer mehr Politikfelder gemeinsam geregelt. Dies machte die Schaffung und kontinuierliche Veränderung von Verträgen als Rechtsgrundlage der Union und ihrer Institutionen notwendig. Die angesprochenen Entwicklungen werden im folgenden Modul näher behandelt.