Die von den Mitgliedsländern gemeinsam verhandelten und verabschiedeten Verträge sind die Grundlage der Europäischen Union, vier Verträge bilden das Fundament der Gemeinschaft. Daneben gibt es auch kleinere Vertragswerke, die etwa anlässlich der Erweiterungen verfasst wurden. Im Dezember 2009 trat der Vertrag von Lissabon in Kraft, der die derzeit gültige Rechtsgrundlage für die Europäische Union darstellt. Die vier grundlegenden Verträge stammen teilweise aus den Anfangsjahren des europäischen Integrationsprozesses und sind noch heute von zentraler Bedeutung:
- Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS, auch „Montanunion“) aus dem Jahr 1951
- Vertrag über die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG, auch „Vertrag von Rom“) aus dem Jahr 1957
- Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom), der ebenfalls 1957 in Rom unterzeichnet wurde
- Vertrag zur Gründung der Europäischen Union von 1992, nach dem Ort der Unterzeichnung auch „Vertrag von Maastricht“ genannt
Der Vertrag von Maastricht / Vertrag über die Europäische Union (1992/1993)
Am 7. Februar 1992 wurde in Maastricht der Vertrag über die Europäische Union unterzeichnet. Er trat am 1. November 1993 in Kraft. Die Struktur des europäischen Gemeinschaftsprojektes wurde damit grundlegend geändert. Die Europäische Union verfügt über drei „Säulen“, die für unterschiedliche Politikfelder und unterschiedliche Entscheidungssysteme stehen:
- Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) wurde in Europäische Gemeinschaft (EG) umbenannt. Zu den Gemeinschaftsaufgaben gehören die meisten gemeinsamen Politikfelder.
- Die Außenpolitik wird in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) koordiniert.
- Außerdem gibt es eine polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen. Mit dem Vertrag von Maastricht wurde auch der Europäische Bürgerbeauftragte geschaffen. Das Büro des Bürgerbeauftragten ist der direkte Ansprechpartner für die Beschwerden von EU-Bürger*innen.
Der Vertrag von Amsterdam (1997/1999)
Am 2. Oktober 1997 wurde in Amsterdam ein Vertragswerk unterzeichnet, das zum 1. Mai 1999 in Kraft trat. Die darin formulierten Änderungen sahen unter anderem eine Stärkung des Europäischen Parlaments vor, dessen Rolle im Mitentscheidungsverfahren (zusammen mit dem Rat) weiter ausgebaut wurde. Hinsichtlich der Politikfelder Innere Sicherheit und Beschäftigungsfragen wurden Grundlagen für mehr Zusammenarbeit geschaffen.
Der Vertrag von Nizza (2001/2002)
Als der Vertrag von Nizza am 26. Februar 2001 unterzeichnet wurde und am 1. Februar des Folgejahres in Kraft trat, war schon klar, dass der Vertrag ein Übergangswerk sein würde. Schon während der Abschlussverhandlungen wurde über das Nachfolgeprojekt gesprochen. Wie auch der Vertrag von Amsterdam sah der Vertrag von Nizza eine institutionelle Reform der Europäischen Union mit Stärkung des Parlaments vor. Die Reform erschien auch angesichts der bevorstehenden Erweiterungsrunden notwendig. Letztlich konnte jedoch erst im Jahr 2007 mit dem Vertrag von Lissabon ein neues Vertragswerk geschaffen werden. Dessen Ratifizierung zog sich vor allem in den EU-Mitgliedsländern Deutschland, Polen, Tschechien und Irland bis Ende 2009.
Eine europäische Verfassung?
Ein Versuch, auf die Herausforderungen der erweiterten Union zu regieren, war der Entwurf eines „Vertrags über eine Verfassung für Europa“. Der Vertrag wurde 2003 vom EU-Konvent erarbeitet, der als eine Art verfassungsgebende Versammlung fungierte. Ein Jahr später, 2004, wurde der Vertrag feierlich in Rom angenommen. Doch dessen Ratifizierung scheiterte am Veto der Französ*innen und der Niederländer*innen: In beiden EU-Ländern erhielt der Verfassungsentwurf von weiten Teilen der Bevölkerung ein „Nein“.
Der Vertrag von Lissabon (2007/2009)
Der Vertrag von Lissabon, der 2007 unterzeichnet wurde, stellt eine Reaktion auf den gescheiterten Verfassungsversuch dar. Explizit wird auf die Bezeichnung „Verfassung“ verzichtet, obwohl im Vertrag von Lissabon viele Inhalte aus dem Entwurf des Konvents übernommen wurden. Der Vertrag von Lissabon soll die bestehenden Verträge nicht ersetzen, sondern sie ergänzen. Die Hauptinhalte und -ziele des Lissabonner Vertrags sind:
- ein noch demokratischeres und transparenteres Europa schaffen und das Parlament weiter stärken
- ein effizienteres Europa schaffen, das die Arbeitsweisen verbessert und die Institutionen reformiert
- das Europa der Rechte und Werte, der Freiheit, Solidarität und Sicherheit weiter ausbauen
- Europa als Global Player in den Außenbeziehungen stärken
Ratifizierungsverfahren des Lissabonner Vertrags
Der Ratifizierungsprozess des Lissabon-Vertrags variierte in den einzelnen Ländern der Europäischen Union. Während die Ratifizierung in 23 EU-Mitgliedsstaaten schon abgeschlossen war, erwies sie sich vor allem in Deutschland, Irland, Polen und Tschechien als langwierig.
- Deutschland: Am 23. Mai 2008 stimmte das deutsche Parlament dem Vertrag von Lissabon zu. Bevor Bundespräsident Horst Köhler jedoch seine Unterschrift erteilen konnte, stand die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes darüber aus, ob der Lissabonner Vertrag mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Am 30. Juni 2009 bejahte das Verfassungsgericht dies grundsätzlich, in der Folge wurden jedoch auf nationaler Ebene vom Bundestag Begleitgesetze verabschiedet. Daraufhin unterschrieb Köhler am 25. September die Ratifikationsurkunde.
- Irland: Auch in Irland stimmte das Parlament dem Vertrag zu, aber in einem Referendum lehnte die irische Bevölkerung am 12. Juni 2008 den Entwurf ab. Nachdem einige Änderungen zur Ergänzung der Vertragsbestimmungen vereinbart wurden, stimmte die irische Bevölkerung am 2. Oktober 2009 zu.
- Polen: Auch in Polen stimmte das Parlament dem Lissaboner Vertrag zu, doch Präsident Lech Kaczynski wollte erst nach einem positiven Entscheid der Iren durch seine Unterschrift den Ratifizierungsprozess abschließen. Am 10. Oktober 2009, kurz nach der irischen Entscheidung, wurde der Ratifizierungsprozess in Polen abgeschlossen.
- Tschechien: Als letztes hat das tschechische Parlament über den Vertrag abgestimmt. Im Februar 2009 nahm das Abgeordnetenhaus den Vertrag an, im Mai 2009 auch der Senat. Erst am 3. November 2009 erfolgte die Unterschrift des Präsidenten Vaclav Klaus (nachdem das tschechische Verfassungsgericht den Vertrag für mit dem nationalen Recht vereinbar erklärt hatte) – trotz weiterhin starker Vorbehalte von Klaus.
Nach einem langen Ratifizierungsprozess trat der Lissabon-Vertrag am 1. Dezember 2009 offiziell in Kraft. Schon im November waren auf einer Tagung des EU-Rates der belgische Premierminister Herman Van Rompuy zum ersten ständigen Präsidenten des Europäischen Rates und die britische EU-Handelskommissarin Catherine Ashton zur ersten „EU-Außenministerin“ gewählt worden. Beide Ämter sind mit dem Lissabon-Vertrag neu geschaffen worden.