Am 9. Mai 1950 stellte der damalige französische Präsident Robert Schuman einen Plan zur Zusammenarbeit der deutschen und französischen Kohl- und Stahlproduktion vor. Aus den Überlegungen Schumans ging die Gründung der „Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl“ (EGKS) hervor, an der neben der BRD und Frankreich auch Belgien, die Niederlande, Luxemburg und Italien beteiligt waren. 1957 erweiterten die sechs Staaten ihre erfolgreiche Zusammenarbeit auch auf weitere Wirtschaftsbereiche und einigten sich in den Römischen Verträgen auf die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). In den Verträgen hielten die sechs Gründungsstaaten auch die Möglichkeit zum Beitritt anderer Staaten offen. Dort hieß es: „Jeder europäische Staat kann beantragen, Mitglied der Gemeinschaft zu werden.“ 1985 wurde beschlossen, den Jahrestag der Schuman-Erklärung zum Europatag zu erklären.
Die Anfänge des europäischen Integrationsprojektes waren vom Spannungsgefüge des Ost-West-Gegensatzes maßgeblich geprägt. Die amerikanische Marshallplanhilfe für das kriegszerstörte Europa hatte eine erste Form der wirtschaftlichen Zusammenarbeit in Westeuropa dargestellt. In der Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC) schlossen sich 16 westeuropäische Länder zusammen. Die osteuropäischen Staaten hatten nicht am European Recovery Program (so die offizielle Bezeichnung des Marshallplans) teilgenommen. Mit der Gründung der Militärbündnisse NATO und Warschauer Pakt wurde die Teilung des Kontinents weiter fortgeschritten.
Die Erweiterung von 1973
Zum 1. Januar 1973 wuchs die EWG um drei weitere Mitglieder an: Dänemark, Irland und Großbritannien traten der Gemeinschaft bei. Zweimal war in den Jahren zuvor der Beitritt Großbritanniens durch ein Veto des französischen Präsidenten Charles de Gaulle verhindert worden: 1963 und 1967. Während Großbritannien zu Beginn der europäischen Integration nur an einem rein wirtschaftlichen Zusammenschluss mit anderen europäischen Staaten interessiert war (es gehörte 1960 wie Österreich zu den Gründungsstaaten der EFTA), änderte sich die Haltung des Landes erst unter Premierminister Harold MacMillan.
Die 1980er Jahre: Die Beitritte von Griechenland, Spanien und Portugal
In den 1980er Jahren traten drei weitere Staaten der Europäischen Gemeinschaft bei: 1981 Griechenland, 1986 folgten Spanien und Portugal. Diese „Süderweiterung“ war durch politische Umbrüche in den einzelnen Ländern möglich geworden.
In Griechenland war 1974 nach dem Sturz der Militärdiktatur die Demokratie wiederhergestellt worden. Auch in Spanien und Portugal endeten die autoritären Regime. Dieser Hintergrund ist vor allem mit Blick auf die jüngeren Erweiterungsprozesse der Europäischen Union interessant. Wie bei den Erweiterungen 2004 und 2007 kamen mit Griechenland, Spanien und Portugal keine gefestigten und erprobten demokratischen Gesellschaften in die Gemeinschaft, sondern Länder im Umbruch. Wie in den Debatten um die sogenannte „Osterweiterung“ und um zukünftige Erweiterungen – etwa die Aufnahme der Türkei – wurde auch damals die Angst vor verstärkter Zuwanderung laut. Der Beitritt Spaniens und Portugals wurde aus politischen und geostrategischen Gründen vorangetrieben. In wirtschaftlicher Hinsicht wurde die Erweiterung dagegen als belastend empfunden.
Die sogenannte EFTA-Erweiterung von 1995
Angesichts der Ost-West-Konfrontation war die österreichische Außenpolitik der Zweiten Republik von der Neutralität bestimmt. Infolge des Umbruchs in Osteuropa stellte Österreich 1989 einen Antrag auf EU-Mitgliedschaft, der 1994 durch eine Volksabstimmung angenommen wurde. Auch die neutralen Staaten Finnland und Schweden traten 1995 der EU bei. Der norwegische Beitritt scheiterte an der Ablehnung der norwegischen Bevölkerung – wie auch schon 1973.
Erweiterungen 2004 und 2007
In einer großen Erweiterungsrunde traten zum 1. Mai 2004 zehn neue Mitgliedsstaaten der EU bei: Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, die Slowakei, Slowenien, die Tschechische Republik, Ungarn und Zypern. Mit 1. Januar 2007 traten Bulgarien und Rumänien der EU bei.
Im politischen Diskurs, in der Medienberichterstattung und im allgemeinen Sprachgebrauch hat es sich durchgesetzt, die Erweiterungsrunden vom Mai 2004 sowie Januar 2007 als „Osterweiterung“ zu bezeichnen. Tatsächlich haben sich die Grenzen der Europäischen Union im Zuge dieser Erweiterung weit nach Osten verschoben. Doch es gibt auch berechtigte Einwände gegen den Begriff, da er eine bestimmte Vorstellung vom „Osten“ impliziert. Grenzen und Räume sind nicht allein von der geografischen und politischen Landkarte vorgegeben, sondern gehen auch auf geistige Landkarten – sogenannte „mental maps“ – zurück. Bis zum Zusammenbruch des Ostblocks war die westeuropäische Sicht auf jene Region bestimmt durch die „fest etablierte mental map von einem grauen, homogenen Osteuropa sowjetischer Prägung“. Trotz der geografischen Nähe, so der dänische Slawist Peter Bugge, habe man „Osteuropa für eine ferne, eigenartige Region“ gehalten, die „nicht nur politisch, sondern auch geistig fremd war.“ Bis in die Gegenwart hält sich dieses Bild. Der österreichische Mitteleuropaexperte Erhard Busek hat in diesem Sinne darauf hingewiesen, dass die Wiener und Wienerinnen „erst lernen müssen, dass Prag eine Stadt im Nordwesten und nicht im Osten ist, wie eine Mehrheit von ihnen heute immer noch sagt.“ Während Zypern am östlichen Rand der Europäischen Union liegt, trifft der Begriff „Osterweiterung“ auf Malta gar nicht zu.
Kroatien trat schließlich 2013 der Europäischen Union bei.
Brexit: Der Austritt Großbritanniens
Der damalige Premierminister David Cameron ließ 2013 ein Referendum über den Verbleib des Vereinigten Königreichs in der EU ausrufen, das schließlich am 23. Juni 2016 abgehalten wurde. Mit 52 % stimmte eine knappe Mehrheit der Bevölkerung für einen Austritt aus der Europäischen Union. Um einen kompletten Abbruch der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Großbritannien und der EU zu verhindern (auch No-Deal-Brexit genannt), versuchten britische Politiker*innen und EU-Diplomaten*innen während der Übergangsphase, sich auf einen Deal zu einigen. Am 30. Dezember 2020 stimmte das britische Unterhaus dem Brexit-Handelspakt, der von Premierminister Boris Johnson vorgelegt wurde, zu. Schon am 1. Februar 2020 war Großbritannien aus der EU ausgeschieden, am 1. Jänner 2021 schließlich auch aus der Zollunion und dem Binnenmarkt der Union.
Die aktuellen Beitrittskandidaten
Der Beitritt eines neuen Mitgliedsstaats zur Europäischen Union ist in Artikel 49 des Vertrags über die Europäische Union geregelt. Hiernach beschließt der Rat nach Anhörung der Kommission und nach Zustimmung des Europäischen Parlaments einstimmig, dass Verhandlungen aufgenommen werden.
Um der Europäischen Union beitreten zu können, müssen die beitrittswilligen Länder bestimmte politische und wirtschaftliche Kriterien erfüllen, die der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs der EU 1993 in Kopenhagen festgelegt hat.
Diese Kopenhagener Kriterien sind:
- institutionelle Stabilität als Garantie für demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, für die Wahrung der Menschenrechte sowie die Achtung und den Schutz der Minderheiten;
- eine funktionsfähige Marktwirtschaft sowie die Fähigkeit, dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften innerhalb der Union standzuhalten;
- die Fähigkeit, die aus einer Mitgliedschaft erwachsenden Verpflichtungen zu übernehmen und sich auch die Ziele der politischen Union sowie der Wirtschafts- und Währungsunion zu eigen machen zu können.
Zentral ist zudem das so genannte „vierte Kopenhagener Kriterium“, in dem die Fähigkeit der Union genannt wird, neue Mitglieder aufzunehmen, ohne die Stoßkraft der europäischen Integration zu verlieren. Die Europäische Union behält sich also vor, über den Zeitpunkt zu entscheiden, zu dem sie bereit ist, neue Mitglieder aufzunehmen.
1995 hat der Europäische Rat in Madrid diese Beitrittskriterien bestätigt und betont, dass das Gemeinschaftsrecht (Besitzstand) nicht nur in einzelstaatliches Recht übernommen werden muss, sondern dass auch seine wirksame Anwendung durch geeignete Strukturen in Verwaltung und Justiz sicherzustellen ist.
Albanien
Albanien beantragte 2009 die Mitgliedschaft in der Europäischen Union und ist seit 2014 Beitrittskandidat. Die Aufnahme der Beitrittsgespräche zog sich seit 2016 immer weiter hinaus, da sich immer wieder Länder dagegenstemmten. Im März 2020 konnten sich die Minister*innen der EU-Mitgliedsstaaten darauf einigen, die Verhandlungen zu beginnen, wenn Albanien die nochmals gestellten Bedingungen erfülle. Im Juli 2022 wurden die Verhandlungen schließlich aufgenommen.
Island
Nach der Finanzkrise im Jahr 2007 verringerte sich die euroskeptische Haltung der Isländer*innen, was sich auch im Rahmen der Parlamentswahlen 2009 niederschlug, die eine pro-europäische Allianz für sich verbuchen konnte. Im selben Jahr reichte Island seinen Beitrittsantrag ein. Island erhielt 2010 den Status eines Beitrittskandidaten. Die Parlamentswahlen 2013 führten allerdings zu einem erneuten Regierungswechsel zugunsten euroskeptischer Kräfte. Im März 2015 zog Island den Beitrittsantrag zurück.
Nordmazedonien
Wie in den anderen Ländern des westlichen Balkans ist auch die Geschichte Nordmazedoniens von ethnischen Konflikten geprägt. Dennoch ist der Systemübergang nach dem Zusammenbruch Jugoslawiens hier am friedlichsten Verlaufen. Im Frühjahr 2004 stellte das Land den Antrag auf EU-Mitgliedschaft, Ende des folgenden Jahres erhielt es offiziell den Status eines Beitrittskandidaten. Die Europäische Kommission empfahl im Oktober 2009 die Eröffnung der Beitrittsverhandlungen. Ähnlich wie für Albanien konnte auch für Nordmazedonien am 24. März 2020 eine politische Einigung über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen erzielt werden, im Juli 2022 wurde die Eröffnungsphase der Beitrittsverhandlungen eingeleitet.
Montenegro
2008 stellte das neu entstandene Land (nach Erklärung der Unabhängigkeit von der Staatengemeinschaft Serbien und Montenegro) einen Antrag auf Mitgliedschaft in der Europäischen Union. 2010 erhielt Montenegro den Status eines Beitrittskandidaten. Im Juni 2012 begannen die Beitrittsverhandlungen.
Serbien
Serbien beantragte im Dezember 2009 die Mitgliedschaft in der Europäischen Union und erhielt 2012 den Status eines Beitrittskandidaten. Im September 2013 trat das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und Serbien in Kraft. Die Beitrittsverhandlungen wurden offiziell im Jänner 2014 eröffnet. Die Entwicklung der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Serbien ist stark geprägt vom „Kosovo-Konflikt“.
Sowohl für Serbien als auch Montenegro haben sich der Rat sowie die zwei Beitrittskandidaten selbst 2021 auf eine neue Verfahrensweise geeinigt. Diese solle nicht nur eine gezieltere Konzentration auf Reformen innerhalb der Beitrittsländer bezwecken, sondern den Beitrittsprozess generell berechenbarer, glaubwürdiger und dynamischer machen.
Türkei
Seit dem 3. Oktober 2005 laufen die Beitrittsverhandlungen zwischen der Europäischen Union und der Türkei. In den politischen und öffentlichen Diskussionen, die europaweit über den möglichen EU-Beitritt der Türkei geführt werden, spielen wirtschaftliche und politische Aspekte eine wichtige Rolle. Auffällig ist jedoch, wie sehr vor allem kulturelle Argumentationsmuster die Debatte bestimmen: Der Gegensatz zwischen Christentum und Islam wird herausgestellt und die Rolle der Frau in der türkischen Gesellschaft thematisiert. Europa wird als Wertegemeinschaft dargestellt, zu der die Türkei aufgrund ihrer Geschichte nicht gehöre. Vergleicht man die Frage über den möglichen EU-Beitritt der Türkei mit der vorausgegangenen so genannten „Osterweiterung“ der Europäischen Union, fällt dieser kulturelle Aspekt besonders ins Auge. Im Zusammenhang mit der Erweiterung nach Mittel- und Osteuropa hat er nur eine marginale Bedeutung.
Europaweit gab es in den vergangenen Jahren eine starke Opposition gegen einen möglichen EU-Beitritt der Türkei – vor allem nach den jüngeren politischen Entwicklungen in der Türkei (u.a. Verhaftung von Oppositionspolitiker*innen und Journalist*innen sowie über 100.000 weiteren Personen nach dem Putschversuch im Juli 2016) mehrten sich Stimmen, die Beitrittsverhandlungen auf Eis zu legen oder abzubrechen. Im November 2016 sprach sich ein Großteil der EU-Abgeordneten dafür aus, die Beitrittsverhandlungen einzufrieren – von Seiten der Mitgliedsstaaten erklärte man, vorerst keine neuen Verhandlungskapitel eröffnen zu wollen. Das Verhältnis zwischen der EU und der Türkei war durch die Spannungen im Mittelmeerraum getrübt. Deswegen begrüßten die Führungsspitzen 2021 auch die Deeskalationsmaßnahmen der Türkei in diesem Gebiet.