Ob Beruf oder Privatleben – die Geschlechtszugehörigkeit hat vielfältige Auswirkungen auf unser Leben. Unsere Erfahrungen, Möglichkeiten und sozialen Beziehungen sind dadurch geprägt, mit welchem Geschlecht wir auf die Welt kommen und ob wir den damit zusammenhängenden Erwartungen entsprechen. Nicht nur die biologischen Differenzen (sex) sind es, welche Frauen und Männer unterscheiden, sondern ebenso das soziale Geschlecht (gender), das die gesellschaftlichen Normvorstellungen und sozialen Zuschreibungen in Bezug auf Geschlechterrollen und deren Auswirkungen bezeichnet. Der Begriff gender wurde aus dem Englischen übernommen, um die wirkmächtige Dimension des sozialen Geschlechts benennen zu können (vgl. Abdul-Hussain 2014). Denn nachweislich ist Geschlecht nicht etwas fix Gegebenes, sondern wird in sozialen Prozessen erzeugt und reproduziert. In unterschiedlichsten Bereichen wurde inzwischen nachgewiesen, dass die soziale Konstruktion von Geschlecht unsere Vorstellungen, Verhaltensweisen, Eigenschaften und Bewertungen in hohem Maß prägt. Was wir als normal oder abnormal, gut oder schlecht, passend oder unpassend empfinden, wird in vielfacher Weise durch die jeweils vorherrschenden Traditionen, Vorstellungen, Denk- und Verhaltensweisen mitbestimmt, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Zugleich sind die gesellschaftlichen Strukturen durch traditionelle Geschlechtervorstellungen geprägt und reproduzieren dabei Ungleichheiten, die nur durch kritische Analyse und zielgerichtete Maßnahmen ausgeglichen werden können. Aber auch die biologischen Aspekte werden durch gesellschaftliche Vorstellungen mitbestimmt, wie etwa die Behandlung von Intersexualität deutlich macht: Menschen, die mit uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen auf die Welt kommen, werden einem Geschlecht zugeteilt und operativ „angepasst“ – die Einteilung in Mann oder Frau wird gesellschaftlich, sozial, rechtlich und politisch verlangt (vgl. Ludwig 2009). Gleichzeitig beeinflusst die Geschlechtszugehörigkeit nicht alle gleich – der Begriff der Intersektionalität verweist darauf, dass Menschen von mehreren Diskriminierungen betroffen sein können, wobei diese sich nicht einfach summieren, sondern gegenseitig beeinflussen und daher in ihrer Wechselwirkung analysiert werden müssen (vgl. Walgenbach 2012: 1).
Die Geschlechterverhältnisse haben sich in vielen Ländern dank Frauenbewegung und -politik in den letzten hundert Jahren grundlegend verändert, doch ist die Gleichstellung der Geschlechter inzwischen zur Realität geworden? Während die letzten Jahrzehnte enorme Fortschritte in der Gleichstellung der Geschlechter mit sich brachten, hat die internationale Verflechtung von Politik, Ökonomie und unterschiedlichen Weltanschauungen unter zunehmendem technologischen Fortschritt zur Komplexität globaler Verhältnisse beigetragen. Gesellschaften weltweit sehen sich vor die Herausforderung gestellt, sich in einer zunehmend verflochtenen und komplexen Welt zu orientieren, dabei bieten traditionelle Erklärungsmuster, die eben oftmals auch die Geschlechterverhältnisse betreffen, einen vermeintlichen Ausweg. Vor dem Hintergrund von Globalisierung und Migration eröffnet sich also ein weiterer Blickwinkel, aus dem Geschlechterverhältnisse im Alltag wieder vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte.
Im Rahmen des Moduls finden Sie Informationen zu den Lebensrealitäten weiblich gelesener Personen am Arbeitsmarkt und in der Familie, in Bezug auf die Konfrontation mit Gewalt und mit Armut. Innerhalb jedes Themenbereichs findet sich jeweils ein einführender Überblick zu den geschlechterbezogenen Debatten, Problemstellungen und Ansätzen. Anhand praktischer Beispiele wird aufgezeigt, welche Ungleichheiten noch immer bestehen und wie Gleichberechtigung aktuell gefördert wird.