Am 21. März 1960 organisierte die südafrikanische Befreiungsbewegung Pan Africanist Congress (PAC) eine Demonstration und forderte die Abschaffung von diskriminierenden südafrikanischen Passgesetzen. Zu der Demonstration, die vor einer Polizeistation in Sharpeville stattfand, erschienen 20.000 schwarze Menschen. Die Polizei berichtete anschließend, die Demonstrant*innen hätten begonnen, Steine auf die Polizist*innen zu werfen. Die Reaktion der Polizist*innen war, mit Maschinengewehren auf die Menschen zu schießen. Dabei wurden 69 schwarze Menschen getötet, ca. 180 weitere verletzt. Sechs Jahre nach dem „Massaker von Sharpeville“, am 26. Oktober 1966, erklärten die Vereinten Nationen (engl. United Nations, UN) den 21. März zum Internationalen Tag gegen Rassismus.
Doch was bedeutet Rassismus konkret? Es gibt keine allgemeingültige, einheitliche Definition des Begriffs Rassismus. Zwei Verständnisse, die im öffentlichen Diskurs häufig vertreten werden, folgen der engen und der weiten Bedeutung von Rassismus.
Das enge bzw. klassische Verständnis von Rassismus definiert diesen als Ideologie. Menschen werden „Rassen“ zugewiesen, denen bestimmte vererbbare Eigenschaften zugesprochen werden. Dadurch entsteht die Annahme, alle Menschen einer „Rasse“ seien einander in bestimmter Hinsicht sehr ähnlich. Diese „Rassen“ werden nach dem klassischen Rassismus-Konzept zudem hierarchisiert. Das bedeutet, dass davon ausgegangen wird, dass manche „Rassen“ „besser“ seien als andere (vgl. humanrights.ch).
Der Grund, warum „Rassen“ hier immer unter Anführungszeichen geschrieben wird, ist, dass mittlerweile wissenschaftlich klar belegt ist, dass es keine biologischen Menschenrassen gibt. Menschen können nicht aufgrund weniger äußerer Eigenschaften einer „Rasse“ zugeordnet werden, da die Menschen dazu viel zu divers (vielfältig) sind (vgl. Koller 2009: 10).
Rassistische Ideologien dienten in der Vergangenheit dazu, um unteranderem Kolonialismus, Sklaverei, die Apartheid und die Verbrechen der Nationalsozialist*innen zu rechtfertigen (vgl. humanrights.ch).
Info: Apartheid ist die Ideologie und Praxis der Rassentrennung, die von 1948 bis 1991 in Südafrika herrschte. Durch die Politik der Apartheid wurden schwarze und weiße Menschen in vielen Lebensbereichen voneinander getrennt (Schule, Wohngegenden, öffentliche Verkehrsmittel etc.), wobei weiße Menschen besser behandelt wurden und zahlreiche Privilegien genossen. Ferner durften schwarze und weiße Menschen keine Liebesbeziehungen miteinander führen (vgl. Lenz/Ruchlak 2001: 10).
Der weite Rassismusbegriff hingegen geht nicht nur von „Rassen“, sondern auch von der Herkunft der Menschen aus. Dadurch werden Menschen nicht nur in pseudobiologische „Rassen“, sondern in verschiedene Abstammungs- und Herkunftsgruppen, in „Völker“ oder „ethnische Gruppen“, eingeteilt. Diesen werden wie beim klassischen Konzept bestimmte Eigenschaften zugeschrieben (vgl. ebd.).
Doch es gibt noch viele weitere Arten und Definitionen von Rassismus. So kann zwischen biologistischem, kulturalistischem, Alltags- und institutionellem Rassismus unterschieden werden. Diese Formen des Rassismus sollen im Folgenden erläutert werden.
Der biologistische Rassismus folgt dem gleichen unwissenschaftlichen Erklärungsversuch der klassischen Form von Rassismus, Menschen durch körperliche Merkmale wie Hautfarbe, Gesichts- und Nasenform oder sogar durch die Struktur der Haare in „Rassen“ einzuteilen. Diese Form von Rassismus hat eine lange Tradition in Europa: Einige Rassismusforscher*innen bezeichnen die Epoche der Aufklärung (18. Jahrhundert) als Geburtsstunde oder Blütezeit des Rassismus. Natürlich wurden auch bis dahin Menschen ausgegrenzt und aus verschiedenen Gründen diskriminiert – allerdings meist aufgrund der Religion. Zur Zeit der Aufklärung gewann die Wissenschaft immer mehr an Bedeutung, und man wendete sich von der Religion langsam aber stetig ab. Menschen wurden nun aufgrund ihrer vermeintlichen „Rasse“ diskriminiert und herabgesetzt. Dadurch konnten Kolonialisierung und Sklaverei gerechtfertigt werden, da man die eigene „Rasse“ über andere stellte. Menschen, die sich der „weißen Rasse“ zugehörig fühlten, sahen in der Hierarchie die „schwarze Rasse“ ganz unten, wobei die „weiße Rasse“ über allen anderen stand (vgl. Barskanmaz 2019: 28–30).
Dies änderte sich lange nicht, wissenschaftliche Erkenntnisse aus dieser Zeit bestätigten dieses Denken sogar bzw. versuchten, der Ungerechtigkeit einen wissenschaftlichen Anstrich zu verpassen. Interessant ist in dem Kontext, dass Jüdinnen und Juden zuvor aufgrund ihres Glaubens diskriminiert und verfolgt wurden, später als eine eigene „Rasse“ galten, womit ihre Unterdrückung und Verfolgung nun anders begründet wurde. Im Nationalsozialismus wurde dieses Denken sehr ähnlich fortgesetzt: Menschen wurden aufgrund ihrer Religion, ihres Aussehens oder ihrer Abstammung in „Rassen“ eingeteilt. Der „Arier“ wurde dabei an die Spitze gestellt, alle anderen Gruppen wurden dieser „Rasse“ untergeordnet. Das war ein wichtiges Argument der Nationalsozialist*innen, um Menschen, die nicht als „Arier*innen“ galten, zu verfolgen und zu ermorden Im Nationalsozialismus wurde nun nicht mehr nur zwischen der schwarzen und der weißen „Rasse“ unterschieden, sondern auch, unter Bezug auf ebenso pseudowissenschaftliche und mythische Quellen, zwischen äußerlich nicht differenzbieren Gruppen getrennt und dabei „Arier*innen“ über Juden und Jüdinnen, Roma und Sinti und Slaw*innen gestellt (vgl. ebd.: 38f.).
1950 veröffentlichte die UNESCO eine Deklaration von Wissenschaftler*innen, die betonten, dass „Rassen“ bei Menschen nicht existieren und wir alle zur selben Spezies, nämlich zum Homo Sapiens gehören (vgl. UNESCO 1950: 5ff). Infolgedessen und wegen der Gräueltaten, die aufgrund des Glaubens an vermeintliche „biologische Rassen“ begangen wurden, verlor die biologistische Rechtfertigung des Rassismus seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts an Bedeutung. Der Begriff der „Rasse“ wurde nun durch „Kultur“ ersetzt, Ausgrenzung erfolgt seitdem häufig aufgrund der Zuschreibung zu einer anderen „Kultur“, da man sich vom Nationalsozialismus abgrenzen wollte (vgl. ebd.: 46). Dieses Denken ist auch heute noch verbreitet und Grund für viele Gewalttaten und Diskriminierungen. Ein Beispiel für diese Form des Rassismus (kulturalistischer Rassismus) ist die rechtsextreme Forderung nach Segregation (Trennung) verschiedener Kulturen im Zusammenhang mit der sogenannten Flüchtlingskrise. Nach rechtsextremistischem Denken ist die „westliche Kultur“ durch „fremde Kulturen“ gefährdet. Dabei muss man betonen, dass „Kultur“ ebenso wie „Rasse“ ein Konstrukt ist, eine Erfindung, die uns Menschen zur Vereinfachung dient. Wenn wir also von einer österreichischen, christlichen oder islamischen Kultur sprechen, dann sind damit auch immer gewisse Merkmale oder Charaktereigenschaften von Menschen gemeint. Diese treffen aber natürlich nicht auf alle Österreicher*innen, Christ*innen oder Muslim*innen zu.
Neben biologistischem und kulturalistischem Rassismus wird häufig auch vom sogenannten Alltagsrassismus gesprochen, also der Auswirkung rassistischer Vorstellungen im Alltag. Gesellschaftlich erlerntes rassistisches Wissen wird jeden Tag reproduziert und wird von denjenigen, die nicht davon betroffen sind, oft gar nicht wahrgenommen, weil es so „normal“ ist (vgl. ebd.: 54–59). Ein Beispiel für Alltagsrassismus ist die scheinbar harmlose Frage „Woher kommst du eigentlich?“, denn sie schließt die angesprochene Person aus der (weißen oder österreichischen) Gemeinschaft aus. Die Betroffenen werden auf subtile Weise daran erinnert, dass sie nicht zu dem jeweiligen Land gehören. Auch Sprüche wie „Ich habe nichts gegen Türken/Schwarze etc., aber …“ sind typisch für Alltagsrassismus. Auch wenn Alltagsrassismus für Nicht-Betroffene harmlos erscheinen mag, trägt er zur Aufrechterhaltung, Normalisierung und Legitimierung rassistischen Verhaltens bei (vgl. ebd.: 60).
Zuletzt soll der institutionelle oder auch strukturelle Rassismus genannt werden. Institutioneller Rassismus ist eng mit dem Alltagsrassismus verwandt. Während beim Alltagsrassismus die alltäglichen Erfahrungen der Betroffenen im Mittelpunkt stehen, liegt der Fokus beim institutionellen Rassismus auf den gesellschaftlichen Institutionen, von denen rassistische Äußerungen und Verhaltensweisen ausgehen. Institutioneller Rassismus bedeutet, dass das weiße Privileg systematisch in die Funktionsweise der Gesellschaft, also zum Beispiel die Bürokratie, die Gesetze, die Politik oder auch in unser alltägliches Leben eingewoben ist. Diese Form des Rassismus ist schwieriger zu erkennen und zu bekämpfen, weil sie subtiler wirkt. Institutioneller Rassismus betrifft jeden; ob Menschen davon profitieren oder darunter leiden, hängt jedoch von ihrer Hautfarbe oder ihrer gefühlten „kulturellen“ und religiösen Zugehörigkeit ab. Institutioneller Rassismus kann auch von Einzelpersonen ausgeübt werden, die sich – bewusst oder unbewusst – „berechtigt“ fühlen, zu diskriminieren oder gewalttätig zu handeln (vgl. ebd.: 62). Der Mord an George Floyd im Jahr 2020 durch einen Polizeibeamten, der in den USA landesweite Proteste gegen rassistische Polizeigewalt auslöste, ist daher ein Beispiel für institutionellen Rassismus.
Auch wenn die Vereinten Nationen 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ausriefen, mit dem Grundsatz, dass alle Menschen gleich und frei an Rechten sind und dass die Würde des Menschen unantastbar ist, gab es auch seitdem zahlreiche rassistisch motivierte Verbrechen bzw. Staatsformen, die auf Rassismus aufbauten, wie etwa die Apartheid in Südafrika bis 19910 oder das System der Rassentrennung in den USA bis in die 1960er Jahre. Der 21. März soll jährlich Anlass dafür geben, nicht nur der Opfer des „Massakers von Sharpeville“ im Jahr 1960 zu gedenken, sondern auch global Aktionen gegen rassistische Diskriminierung zu fördern und gegen Rassismus in unserer heutigen Gesellschaft zu mobilisieren.
Die „Black Lives Matter“-Bewegung rückte das Thema Rassismus 2020 erneut in den Fokus der Öffentlichkeit. Anlass dafür war die Ermordung des PoC George Floyd durch einen Polizisten. Rassistisch motivierte Verbrechen wie diese sind allerdings keine Seltenheit oder Neuheit. Ausgangspunkt für den Internationalen Tag gegen Rassismus ist die Ermordung friedlicher Protestant*innen in Südafrika 1960.
Info: PoC steht für Person/People of Color, also „Menschen von Farbe“. Dieser Begriff wird von vielen Menschen, die Erfahrungen mit Rassismus machen mussten, als Selbstbezeichnung verwendet. Ähnliche Begriffe sind BPoC (Black and People of Color) und BIPoC (Black, Indigenous and People of Color) (vgl. Diversity Arts Culture).
Bereits seit Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die schwarze Bevölkerung in Südafrika von der weißen Minderheit unterdrückt und ausgebeutet. Vor allem seit der Regierungsübernahme der National Party im Jahr 1948 herrschte eine Politik der sogenannten Rassentrennung, die die schwarze Bevölkerung ihrer Grund- und Menschenrechte beraubte und brutal unterdrückte. Dies äußerte sich zum einen in einer gesetzlich verfügten Trennung von Weißen und Nichtweißen in öffentlichen Einrichtungen (Schulen, Krankenhäusern, öffentlichen Verkehrsmitteln) und zum anderen durch Zwangsumsiedlungen, die durch strenge Passgesetze überwacht wurden.
Um gegen ein weiteres diskriminierendes und die Freiheit einschränkendes Passgesetz vorzugehen, organisierte unter anderem der Pan Africanist Congress (PAC) mehrere Massenproteste. Am 21. März 1960 kam es in Sharpeville, einer Stadt südlich von Johannesburg, zu einem Massaker: Bei einer friedlichen Protestaktion schossen Polizisten in die panisch flüchtende Menge, 69 Menschen starben, darunter Frauen und Kinder. Dieses Massaker zog wiederum große internationale Aufmerksamkeit auf sich: Diplomatische Vertretungen aus verschiedenen Staaten und der UN-Sicherheitsrat verurteilte die Vorkommnisse und forderten die Gleichberechtigung aller Bevölkerungsgruppen. Es kam zu einem Einsturz der südafrikanischen Börse, die Proteste gegen das Passgesetz weiteten sich aus. Die Regierung verhängte den Notstand und erklärte am 8. April 1960 den PAC sowie den African National Congress (ANC), dem Nelson Mandela angehörte, für illegal (vgl. ReitmairJuárez 2017: 229). Beide Organisationen operierten fortan im Untergrund.
1962 wurde der südafrikanische Menschenrechtsaktivist Nelson Mandela verhaftet. Er nutzte den Prozess seiner Verurteilung und Inhaftierung als politische Bühne, um die Ungerechtigkeit des Systems und der Gesetzeslage zu verdeutlichen. Die internationale Öffentlichkeit wurde zunehmend auf die Situation in Südafrika aufmerksam. Die Vereinten Nationen verurteilten die Apartheid und die damit einhergehende südafrikanische Politik in der „Internationalen Konvention über die Bekämpfung und Bestrafung des Verbrechens der Apartheid“ (vgl. UN 1973). Am 16. Juni 1976 kam es zu einem weiteren Massaker bei einer Demonstration. Schwarze Schulkinder in Soweto protestierten friedlich gegen die Einführung von Afrikaans statt Englisch als Unterrichtssprache, die Polizei eröffnete das Feuer. Bei dem Massaker starben 600 Menschen, ein Viertel von ihnen waren Kinder.
Die Vorfälle von Soweto erregten weltweit Empörung, in Südafrika selbst eskalierte der Widerstand gegen die Apartheid zum offenen Bürgerkrieg. Es folgten wirtschaftliche Sanktionen der Vereinten Nationen gegen Südafrika. Der Druck auf die südafrikanische Regierung durch die andauernden Proteste, die unter anderem durch ANC und PAC organisiert wurden, und durch die internationale Kritik wurde immer größer. 1989 nahm der amtierende südafrikanische Präsident Frederik Willem de Klerk aufgrund des anhaltenden weltweiten Drucks Verhandlungen mit Nelson Mandela auf, der seit 1964 im Gefängnis saß. De Klerk ließ ihn 1990 zusammen mit anderen politischen Gefangenen frei. 1993 wurde Nelson Mandela und Willem de Klerk der Friedensnobelpreis verliehen, im Jahr 1994 wurden allgemeine Wahlen durchgeführt. Die ANC mit Nelson Mandela an der Spitze erhielt 62,6 Prozent der Stimmen. Nelson Mandela wurde am 10. Mai 1994 als Präsident Südafrikas vereidigt (vgl. ebd.: 236f). 1996 unterzeichnete er die neue Verfassung in Sharpeville (vgl. Encyclopaedia Britannica).
Nelson Rolihlahla Mandela (*18.7.1918, †5.12.2013) war einer der wichtigsten Anführer des African National Congress (ANC), einer der größten Bewegungen gegen Rassismus, Apartheid und Unterdrückung. Für seinen Aktivismus wurde er 1964 zu lebenslanger Haft verurteilt. Schließlich kam er 1990 frei und wurde vier Jahre später zum ersten schwarzen sowie demokratisch gewählten Präsidenten Südafrikas. Gemeinsam mit dem damals amtierenden weißen Präsidenten Willem de Klerk verhandelte er einen weitgehend friedlichen Übergang von der rassistischen Diktatur zu einem demokratischen System mit weitgehend gleichen Rechten für die verschiedenen ethnischen Gruppen (vgl. Nelson Mandela Foundation).
„I have fought against white domination, and I have fought against black domination. I have cherished the ideal of a democratic and free society in which all persons live together in harmony and with equal opportunities. It is an ideal which I hope to live for and to achieve. But if needs be, it is an ideal for which I am prepared to die.“ –Nelson Mandela
Bereits seit der Gründung im Jahr 1945 verurteilten die UN die Rassendiskriminierung. Während der ersten Sitzung wurde eine Resolution veröffentlicht, die sich gegen jegliche Form von religiöser oder rassistischer Verfolgung aussprach und die Regierungen dazu aufforderte, dementsprechend dagegen vorzugehen (vgl. Reddy). Auf das Massaker von Sharpeville wurde sowohl international als auch national reagiert. National wurden PAC und ANC in Folge der Proteste verboten und mussten fortan im Untergrund operieren. International gewannen der in Südafrika verbreitete Rassismus sowie das System der Apartheid an medialer Aufmerksamkeit. Neben den UN kritisierten zahlreiche Länder Südafrika für dessen rassistische Politik (vgl. Ludwig Boltzmann Institut). Rassendiskriminierung wurde seit dem Massaker zu einem der Hauptpunkte auf der Tagesordnung der Vereinten Nationen.
Die Einführung des Internationalen Tags gegen Rassismus am 26. Oktober 1966 war Teil von mehreren öffentlich wirksamen Entscheidungen der UN, um gegen Rassendiskriminierung vorzugehen. Im Jahr 1963 nahm die Generalversammlung der UN eine Erklärung zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung an, 1965 wurde ein internationales Übereinkommen gegen Rassendiskriminierung mit 106 Ja-Stimmen, keiner Gegenstimme und einer Enthaltung verabschiedet (vgl. UN 2012: 1f.). Am 4. Januar 1969 trat das Übereinkommen (ICERD – International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination) in Kraft. Es ist in drei Teile untergliedert und umfasst 25 Artikel:
Im ersten Teil werden der Begriff der Rassendiskriminierung bestimmt, sein Anwendungsbereich definiert und die Pflichten der Vertragsstaaten festgelegt.
Im zweiten Teil wird die Errichtung eines Überprüfungsorgans und dessen Arbeitsweise geregelt.
Der dritte Teil des ICERD beschäftigt sich mit formalen Angelegenheiten. Der CERD (Committee on the Elimination of Racial Discrimination) wurde als erstes menschenrechtliches Überprüfungsorgan im Jahr 1970 ins Leben gerufen (vgl. Steinebach 2016: 221). Auch Österreich und zahlreiche weitere Länder weltweit verpflichteten sich 1972 dazu, diese Forderungen zu erfüllen (vgl. RIS 2021).
Der vierte Artikel des Internationalen Übereinkommen über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung (siehe Abbildung) fasst den Kern des Übereinkommens zusammen. Auch Österreich hat dieses Abkommen unterschrieben und ratifiziert (in Kraft gesetzt) (vgl. RIS 2020).
Die Befreiung Südafrikas von der rassistischen Tyrannei und die darauffolgende nationale Aussöhnung waren das Ergebnis des Kampfes des südafrikanischen Volkes und der internationalen Maßnahmen, die von den Vereinten Nationen fast ein halbes Jahrhundert lang gefördert wurden (vgl. Reddy). Eine dieser Maßnahmen war die Einführung des Internationalen Tags gegen Rassismus. Der 21. März wird bis heute international von vielen rassismuskritischen Organisationen zum Anlass genommen, um Bewusstsein für das Thema Rassismus zu schaffen und Aufklärungsarbeit zu betreiben, da unsere Gesellschaft bis heute noch nicht frei von Rassismus ist.
Obwohl die Erklärungen und Resolutionen der Vereinten Nationen mit überwiegender Unterstützung angenommen wurden, haben einige Regierungen weltweit nicht den politischen Willen gezeigt, uralte Vorurteile, traditionelle oder gewohnheitsmäßige Ungerechtigkeiten oder sogar Gewalt gegen unterdrückte Minderheiten zu bekämpfen. Politiker*innen und politische Parteien schüren rassistische Ressentiments, während Behörden und lokale Beamte die nationale Gesetzgebung zur Gleichbehandlung ignorieren. Die unterdrückten Gemeinschaften sind in Polizei, Justiz, Legislative und anderen staatlichen Organisationen nach wie vor kaum vertreten. Regierungen zögern, Diskriminierungen in anderen Ländern zu kritisieren, es sei denn, Bürger*innen und Bürger des eigenen Landes werden im Ausland zu Opfern von Diskriminierung (vgl. Reddy). Daher erscheint die rassistische Unterdrückung in einzelnen Ländern selten auf der Tagesordnung der Vereinten Nationen. Enuga S. Reddy, ehemaliger stellvertretender UN-Generalsekretär und Leiter des Zentrums gegen Apartheid von 1976 bis 1984, ist der Meinung, dass das Problem nicht die Verabschiedung neuer rassistischer Gesetze auf nationaler Ebene ist, sondern dass die Opfer von Unterdrückung und Diskriminierung in der Regel Angehörige von Minderheiten oder Nicht-Staatsbürger*innen seien.
„[…] Die Vereinten Nationen riefen den 21. März zum Internationalen Tag zur Beseitigung der Rassendiskriminierung aus und haben bisher drei Weltkonferenzen gegen Rassismus (1978, 1983, 2001) durchgeführt. […] Auch im Inland stellt der Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus für Österreich eine wichtige Aufgabe dar, wofür auf verschiedenen Ebenen Maßnahmen gesetzt werden, u.a. zur Förderung der Gleichbehandlung, des Abbaus von Vorurteilen und der Integration. So wurde z.B. in den letzten Jahren der strafrechtliche Schutz gegen Diskriminierung und Verhetzung gestärkt. Das Prinzip der Gleichbehandlung ist in der Bundesverfassung verankert. Darauf aufbauend wurde eine umfassende Antidiskriminierungsgesetzgebung erlassen, die laufend weiterentwickelt wird. Im Verwaltungs- und zivilrechtlichen Bereich hat die Umsetzung der einschlägigen EU-Richtlinien zur Stärkung der Antidiskriminierungsgesetzgebung in Österreich beigetragen.
Darüber hinaus werden außergesetzliche Maßnahmen, insbesondere im Ausbildungs- und Sensibilisierungsbereich, verstärkt fortgeführt und sollen gemäß dem „Nationalen Aktionsplan Integration“ weiter ausgebaut werden. Schließlich wird auch die für die XXVII. Regierungsperiode vorgesehene Erarbeitung eines „Nationalen Aktionsplans Menschenrechte in Österreich“ und einer „ganzheitlichen Strategie zur Verhütung und Bekämpfung aller Formen von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Radikalisierung und gewaltbereitem Extremismus“ weitere konkrete Fortschritte in diesem Bereich mit sich bringen. Es ist auch vorgesehen, eine „ganzheitliche Strategie zur Verhütung und Bekämpfung des Antisemitismus“ auszuarbeiten. Österreich ist Mitglied der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) und hat 2017 deren Arbeitsdefinition von Antisemitismus angenommen […]“ (BMEIA).
Auch Österreich ist nicht frei von Rassismus. Die Meldungen rassistischer Vorfälle stiegen sogar in den letzten Jahren kontinuierlich an (vgl. Statista Research Department 2020). Auf der Website des Österreichischen Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten (BMEIA) ist folgendes unter „Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung“ veröffentlicht:
Trotz dieser Maßnahmen ist Rassismus weiterhin ein Problem in Österreich. Der Mord an George Floyd im Jahr 2020 durch einen Polizeibeamten, der in den USA landesweite Proteste gegen rassistische Polizeigewalt auslöste, rückte das Thema Rassismus auch in Österreich in den Fokus der Öffentlichkeit, wie ein Kommentar in der Zeitung Der Standard zeigt:
„Rassismus gegen Schwarze: Ein österreichisches Problem
Auch in Österreich grassieren Vorbehalte gegen schwarze Mitbürger
Mit einer Mischung aus Entsetzen und Zorn blickt die Welt auf das brutale Vorgehen der Sicherheitsbehörden gegen US-Demonstranten, die den dort tief verwurzelten Rassismus anprangern. Auch Österreich, wo in Reaktion auf den Fall des von einem Polizisten getöteten Afroamerikaners George Floyd allein am Donnerstag Zehntausende protestierten.
Dabei steht Kritik am System USA mit seiner Ursünde der Sklaverei im Zentrum – und an Präsident Donald Trump, der die Wut weiter anstachelt, statt zu beruhigen. Aber nicht nur, und das ist richtig so – denn auch in Österreich grassieren Vorbehalte gegen schwarze Mitbürger. Viele betrachten sie als Fremde, auch wenn sie hier geboren wurden und einen österreichischen Pass haben.
Und auch hierzulande ist es wiederholt zu unfassbaren Brutalitäten von Polizisten gegen Schwarze gekommen. Man erinnere sich an den Tod Marcus Omofumas 1999 während eines Abschiebeflugs, den Tod Cheibani Wagues 2003 im Wiener Stadtpark – und an die Folter Bakary Jasseys in einer Lagerhalle 2006. Schuld daran sind falscher Korpsgeist und rechte Unkultur in der Polizei – in einer Gesellschaft, die schwarze Mitbürger vielfach ausschließt.
Das zeigt nicht zuletzt dieser Kommentar hier, geschrieben von einer Weißen gegen die Diskriminierung Schwarzer. Diese haben in Österreichs Medien, anders als in anderen Ländern, kaum eine Stimme. Auch eine solche Stellvertretung ist das Symptom eines rassistischen Systems“ (Brickner 2020).
Die Organisation ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit wurde im Jahr 1999 mit dem Ziel gegründet, Zivilcourage und eine rassismusfreie Gesellschaft in Österreich zu fördern sowie allen Formen von Rassismus entgegenzutreten. Jedes Jahr veröffentlicht ZARA einen Rassismusreport. Im Folgenden wird ein Beitrag aus dem Rassismusreport 2019 von der Kulturwissenschaftlerin Judith Kohlenberger in Auszügen wiedergegeben.
„[…] Dennoch kann Integration nur funktionieren, wenn auch der*die „autochthone Österreicher*in“ erkennt, dass das Thema alle angeht, ob wir es wollen oder nicht […]. Gerade in der jüngsten Vergangenheit ließ sich ein regelrechter rassistischer Backlash beobachten, häufig in Verbindung mit sexistischen Untertönen. Tätliche Übergriffe auf Menschen, und vor allem Frauen mit Migrationshintergrund sowie nicht-weiße Frauen, häufen sich, und der Hass im Netz explodiert: 2018 fanden drei von fünf Meldungen von Rassismus im Internet statt. Auch am Arbeitsmarkt ist Diskriminierung noch lange kein Fremdwort, allen (oft rein kosmetischen) Diversity-Maßnahmen zum Trotz: Eine Studie der JKU Linz zeigt, dass bei gleicher Qualifikation und identem Lebenslauf weiße Menschen etwa doppelt so häufig zu Bewerbungsgesprächen eingeladen werden wie z.B. Menschen, die in Österreich leben und in Nigeria geboren wurden. Damit liegt unser Land im traurigen europäischen „Spitzenfeld“. Bedeuten all diese Vorfälle und Statistiken, dass Integration und der Versuch einer pluralistischen Gesellschaft gescheitert sind? Dass sämtliche Bemühungen, die von ZARA mit so viel Nachdruck und Engagement betrieben wurden, keine nachhaltige Wirkung erzielen konnten? Mitnichten. Ähnlich, wie in den USA unter der Präsidentschaft Obamas Anzeigen wegen rassistisch motivierten hate crimes zunahmen, treten auch in Österreich mit der steigenden Sichtbarkeit seiner migrantischen Bevölkerung bisher leicht übertünchte Konflikte stärker zu Tage […]. Das häufigere Bekanntwerden rassistischer Übergriffe sowie hitzig geführte Debatten über Kopftuchverbote und Minarette symbolisieren somit nicht zwangsläufig die viel zitierte Spaltung des Landes. Viel eher sind sie Teil „des Zusammenwachsens einer offenen Gesellschaft“, ein anstrengender, oft schmerzhafter Vorgang, der nicht ohne Reibungen und daraus entstehende Funken abläuft. Kommen Menschen mit Migrationshintergrund gar in führende Positionen wie zuletzt Justizministerin Alma Zadić, so verstärkt sich Rassismus paradoxerweise häufig, gerade weil Integration gelingt. Genau deshalb ist aktive Anti-Diskriminierungspolitik nun dringlicher denn je: Alltagsrassismus, Beschimpfungen und Hetze im Internet dürfen nicht mehr als Kavaliersdelikte abgetan werden. Neben der Verletzung der Menschenwürde des/der Einzelnen können Diskriminierung und Hetze nämlich auch gesellschaftliche Desintegrationstendenzen verstärken […]“ (Kohlenberger 2020: 32f).
Österreich hat sich als Vertragspartner des Übereinkommens zur „Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung“ (ICERD) zur Bekämpfung des Rassismus verpflichtet. Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sind noch immer ein weltweit drängendes Problem. Daran soll jedes Jahr am 21. März am Internationalen Tag gegen Rassismus erinnert werden.
Der Internationale Tag gegen Rassismus kann als Anlass genommen werden, um das Thema Rassismus im Unterricht zu behandeln. Im Folgenden werden verschiedene didaktische Ideen für die Einbindung in den Unterricht vorgestellt.
- Einzel-/Partner*innenarbeit: Recherchiere, welche rassismuskritische Aktionen in der Woche des 21. März für dieses Jahr stattfanden/stattfinden werden. Stelle eine Aktion kurz vor der Klasse vor.
- Einzelarbeit: Recherchiere nach den Reden Nelson Mandelas. Suche dir eine aus und höre dir 15 Minuten daraus an.
Fasse den Inhalt des Gehörten kurz zusammen.
Nenne Aussagen, die dir besonders in Erinnerung geblieben sind.
Verfasse ein fiktives Interview mit Nelson Mandela zum Sharpeville-Massaker. Mandelas Antworten sollen durch Rechercheergebnisse gestützt werden.
- Reflektiere darüber, was du selbst gegen Rassismus tun kannst. In der Broschüre „Wir nehmen Rassismus persönlich“ der Menschenrechtsorganisation Amnesty International findest du zahlreiche Fallbeispiele für Rassismus heute. Suche dir ein Beispiel aus und überlege, wie du der betroffenen Person helfen würdest, wenn du dabei wärst. Die Broschüre findest du unter: https://www.amnesty.de/sites/default/files/2017-05/Amnesty-Broschuere-Alltagsrassismus-September2016.pdf
- Lies dir den Beitrag von Judith Kohlenberger aus dem Rassismusreport 2019 von ZARA ab Seite 32 nochmal durch. Welche Formen von Rassismus, die angesprochen werden, kannst du erkennen?
Den gesamten Rassismusreport 2019 kannst du lesen unter: https://assets.zara.or.at/download/pdf/ZARA-Rassismus_Report_2019.pdf
Weiterführende Links
Beratungsstellen
Quellen
- Barskanmaz, Cengiz (2019): Recht und Rassismus. Das menschenrechtliche Verbot der Diskriminierung aufgrund der Rasse. Springer. [eBook]
- BMEIA: Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung. www.bmeia.gv.at/europa-aussenpolitik/menschenrechte/schwerpunktthemen/kampf-gegen-rassismus-und-diskriminierung/ (12.01.2021)
- Brickner, Irene (2020): Rassismus gegen Schwarze: Ein österreichisches Problem. In: Kommentar in Der Standard vom 4. Juni 2020. www.derstandard.at/story/2000117891968/rassismus-gegen-schwarze-ein-oesterreichisches-problem (12.01.2021)
- Diversity Arts Culture: PoC/Person of Color. https://diversity-arts-culture.berlin/woerterbuch/poc-person-color (12.01.2021)
- Encyclopaedia Britannica: Sharpeville massacre. https://academic-eb-com.uaccess.univie.ac.at/levels/collegiate/article/Sharpeville-massacre/67166 (12.01.2021)
- humanrights.ch: Was ist Rassismus? Definitionen. https://www.humanrights.ch/de/ipf/menschenrechte/rassismus/dossier/was-ist-rassismus/ (12.01.2021)
- Kohlenberger, Judith (2020): Rassismus verstärkt, Integration gescheitert? In: Rassismus Report 2019. Analyse zu rassistischen Übergriffen & Strukturen in Österreich. Wien: Verein ZARA, S. 32f. https://assets.zara.or.at/download/pdf/ZARA-Rassismus_Report_2019.pdf (12.01.2021)
- Koller, Christian (2009): Rassismus. Paderborn: Ferdinand Schöningh.
- Lenz, Carsten/Ruchlak, Nicole (2001): Kleines Politik-Lexikon. München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag.
- Ludwig Boltzmann Institut: Internationaler Tage gegen Rassismus – 21. März. https://bim.lbg.ac.at/de/artikel/internationaler-tag-gegen-rassismus-21-marz (12.01.2021)
- Nelson Mandela Foundation: Biography of Nelson Mandela. https://www.nelsonmandela.org/content/page/biography (12.01.2021)
- Reddy, Enuga S.: The Struggle against Apartheid: Lessons for Today’s World. www.un.org/en/chronicle/article/struggle-against-apartheid-lessons-todays-world (20.01.2021)
- Reitmair-Juarèz, Susanne (2017): AntiPassKampagnen. In: Bader-Zaar, Birgitta/Diendorfer, Gertraud/Reitmair-Juárez, Susanne (2017): Friedenskonzepte im Wandel. Analyse der Vergabe des Friedensnobelpreises von 1901 bis 2016. Band 3 der Schriftenreihe des Demokratiezentrums Wien. Wien: Demokratiezentrum Wien, S. 228f.
- RIS: Internationales Übereinkommen über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung. https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10000516 (12.01.2021)
- Statista Research Department (2020): Rassistische Vorfälle in Österreich bis 2019. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/823992/umfrage/rassistische-vorfaelle-in-oesterreich/ (27.01.2021)
- Steinebach, Alexandra (2016): 50 Jahre Kampf gegen rassistische Diskriminierung. Errungenschaften und Herausforderungen in Deutschland und weltweit. In: Zeitschrift Vereinte Nationen 5/2016, S. 219-223. https://zeitschrift-vereinte-nationen.de/fileadmin/publications/PDFs/Zeitschrift_VN/VN_2016/Heft_5_2016/07_Steinebach_VN_5-16_Okt-2016_223.pdf
- UN (2012): Convention on the elimination of all racial discrimination. In: United Nations Audiovisual Library of International Law. https://legal.un.org/avl/pdf/ha/cerd/cerd_ph_e.pdf
- UN General Assembly: Resolutions adopted on the reports of the third committee. https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=A/RES/2142%20(XXI) (12.01.2021)
- UNESCO: The Race question. www.unesdoc.unesco.org/ark:/48223/pf0000128291 (27.01.2021)