Internationaler Tag gegen Rassismus (jährlich am 21. März)

Einführung und Kontext

Am 21. März 1960 organisierte die südafrikanische Befreiungsbewegung Pan Africanist Congress (PAC) eine Demonstration und forderte die Abschaffung von diskriminierenden südafrikanischen Passgesetzen. Zu der Demonstration, die vor einer Polizeistation in Sharpeville stattfand, erschienen 20.000 schwarze Menschen. Die Polizei berichtete anschließend, die Demonstrant*innen hätten begonnen, Steine auf die Polizist*innen zu werfen. Die Reaktion der Polizist*innen war, mit Maschinengewehren auf die Menschen zu schießen. Dabei wurden 69 schwarze Menschen getötet, ca. 180 weitere verletzt. Sechs Jahre nach dem „Massaker von Sharpeville“, am 26. Oktober 1966, erklärten die Vereinten Nationen (engl. United Nations, UN) den 21. März zum Internationalen Tag gegen Rassismus.

Doch was bedeutet Rassismus konkret? Es gibt keine allgemeingültige, einheitliche Definition des Begriffs Rassismus. Zwei Verständnisse, die im öffentlichen Diskurs häufig vertreten werden, folgen der engen und der weiten Bedeutung von Rassismus.

Das enge bzw. klassische Verständnis von Rassismus definiert diesen als Ideologie. Menschen werden „Rassen“ zugewiesen, denen bestimmte vererbbare Eigenschaften zugesprochen werden. Dadurch entsteht die Annahme, alle Menschen einer „Rasse“ seien einander in bestimmter Hinsicht sehr ähnlich. Diese „Rassen“ werden nach dem klassischen Rassismus-Konzept zudem hierarchisiert. Das bedeutet, dass davon ausgegangen wird, dass manche „Rassen“ „besser“ seien als andere (vgl. humanrights.ch).

Der Grund, warum „Rassen“ hier immer unter Anführungszeichen geschrieben wird, ist, dass mittlerweile wissenschaftlich klar belegt ist, dass es keine biologischen Menschenrassen gibt. Menschen können nicht aufgrund weniger äußerer Eigenschaften einer „Rasse“ zugeordnet werden, da die Menschen dazu viel zu divers (vielfältig) sind (vgl. Koller 2009: 10).

Rassistische Ideologien dienten in der Vergangenheit dazu, um unteranderem Kolonialismus, Sklaverei, die Apartheid und die Verbrechen der Nationalsozialist*innen zu rechtfertigen (vgl. humanrights.ch).


Info: Apartheid ist die Ideologie und Praxis der Rassentrennung, die von 1948 bis 1991 in Südafrika herrschte. Durch die Politik der Apartheid wurden schwarze und weiße Menschen in vielen Lebensbereichen voneinander getrennt (Schule, Wohngegenden, öffentliche Verkehrsmittel etc.), wobei weiße Menschen besser behandelt wurden und zahlreiche Privilegien genossen. Ferner durften schwarze und weiße Menschen keine Liebesbeziehungen miteinander führen (vgl. Lenz/Ruchlak 2001: 10).


Der weite Rassismusbegriff hingegen geht nicht nur von „Rassen“, sondern auch von der Herkunft der Menschen aus. Dadurch werden Menschen nicht nur in pseudobiologische „Rassen“, sondern in verschiedene Abstammungs- und Herkunftsgruppen, in „Völker“ oder „ethnische Gruppen“, eingeteilt. Diesen werden wie beim klassischen Konzept bestimmte Eigenschaften zugeschrieben (vgl. ebd.).

Doch es gibt noch viele weitere Arten und Definitionen von Rassismus. So kann zwischen biologistischem, kulturalistischem, Alltags- und institutionellem Rassismus unterschieden werden. Diese Formen des Rassismus sollen im Folgenden erläutert werden.

Der biologistische Rassismus folgt dem gleichen unwissenschaftlichen Erklärungsversuch der klassischen Form von Rassismus, Menschen durch körperliche Merkmale wie Hautfarbe, Gesichts- und Nasenform oder sogar durch die Struktur der Haare in „Rassen“ einzuteilen. Diese Form von Rassismus hat eine lange Tradition in Europa: Einige Rassismusforscher*innen bezeichnen die Epoche der Aufklärung (18. Jahrhundert) als Geburtsstunde oder Blütezeit des Rassismus. Natürlich wurden auch bis dahin Menschen ausgegrenzt und aus verschiedenen Gründen diskriminiert – allerdings meist aufgrund der Religion. Zur Zeit der Aufklärung gewann die Wissenschaft immer mehr an Bedeutung, und man wendete sich von der Religion langsam aber stetig ab. Menschen wurden nun aufgrund ihrer vermeintlichen „Rasse“ diskriminiert und herabgesetzt. Dadurch konnten Kolonialisierung und Sklaverei gerechtfertigt werden, da man die eigene „Rasse“ über andere stellte. Menschen, die sich der „weißen Rasse“ zugehörig fühlten, sahen in der Hierarchie die „schwarze Rasse“ ganz unten, wobei die „weiße Rasse“ über allen anderen stand (vgl. Barskanmaz 2019: 28–30).

Dies änderte sich lange nicht, wissenschaftliche Erkenntnisse aus dieser Zeit bestätigten dieses Denken sogar bzw. versuchten, der Ungerechtigkeit einen wissenschaftlichen Anstrich zu verpassen. Interessant ist in dem Kontext, dass Jüdinnen und Juden zuvor aufgrund ihres Glaubens diskriminiert und verfolgt wurden, später als eine eigene „Rasse“ galten, womit ihre Unterdrückung und Verfolgung nun anders begründet wurde. Im Nationalsozialismus wurde dieses Denken sehr ähnlich fortgesetzt: Menschen wurden aufgrund ihrer Religion, ihres Aussehens oder ihrer Abstammung in „Rassen“ eingeteilt. Der „Arier“ wurde dabei an die Spitze gestellt, alle anderen Gruppen wurden dieser „Rasse“ untergeordnet. Das war ein wichtiges Argument der Nationalsozialist*innen, um Menschen, die nicht als „Arier*innen“ galten, zu verfolgen und zu ermorden Im Nationalsozialismus wurde nun nicht mehr nur zwischen der schwarzen und der weißen „Rasse“ unterschieden, sondern auch, unter Bezug auf ebenso pseudowissenschaftliche und mythische Quellen, zwischen äußerlich nicht differenzbieren Gruppen getrennt und dabei „Arier*innen“ über Juden und Jüdinnen, Roma und Sinti und Slaw*innen gestellt (vgl. ebd.: 38f.).

1950 veröffentlichte die UNESCO eine Deklaration von Wissenschaftler*innen, die betonten, dass „Rassen“ bei Menschen nicht existieren und wir alle zur selben Spezies, nämlich zum Homo Sapiens gehören (vgl. UNESCO 1950: 5ff). Infolgedessen und wegen der Gräueltaten, die aufgrund des Glaubens an vermeintliche „biologische Rassen“ begangen wurden, verlor die biologistische Rechtfertigung des Rassismus seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts an Bedeutung. Der Begriff der „Rasse“ wurde nun durch „Kultur“ ersetzt, Ausgrenzung erfolgt seitdem häufig aufgrund der Zuschreibung zu einer anderen „Kultur“, da man sich vom Nationalsozialismus abgrenzen wollte (vgl. ebd.: 46). Dieses Denken ist auch heute noch verbreitet und Grund für viele Gewalttaten und Diskriminierungen. Ein Beispiel für diese Form des Rassismus (kulturalistischer Rassismus) ist die rechtsextreme Forderung nach Segregation (Trennung) verschiedener Kulturen im Zusammenhang mit der sogenannten Flüchtlingskrise. Nach rechtsextremistischem Denken ist die „westliche Kultur“ durch „fremde Kulturen“ gefährdet. Dabei muss man betonen, dass „Kultur“ ebenso wie „Rasse“ ein Konstrukt ist, eine Erfindung, die uns Menschen zur Vereinfachung dient. Wenn wir also von einer österreichischen, christlichen oder islamischen Kultur sprechen, dann sind damit auch immer gewisse Merkmale oder Charaktereigenschaften von Menschen gemeint. Diese treffen aber natürlich nicht auf alle Österreicher*innen, Christ*innen oder Muslim*innen zu.

Neben biologistischem und kulturalistischem Rassismus wird häufig auch vom sogenannten Alltagsrassismus gesprochen, also der Auswirkung rassistischer Vorstellungen im Alltag. Gesellschaftlich erlerntes rassistisches Wissen wird jeden Tag reproduziert und wird von denjenigen, die nicht davon betroffen sind, oft gar nicht wahrgenommen, weil es so „normal“ ist (vgl. ebd.: 54–59). Ein Beispiel für Alltagsrassismus ist die scheinbar harmlose Frage „Woher kommst du eigentlich?“, denn sie schließt die angesprochene Person aus der (weißen oder österreichischen) Gemeinschaft aus. Die Betroffenen werden auf subtile Weise daran erinnert, dass sie nicht zu dem jeweiligen Land gehören. Auch Sprüche wie „Ich habe nichts gegen Türken/Schwarze etc., aber …“ sind typisch für Alltagsrassismus. Auch wenn Alltagsrassismus für Nicht-Betroffene harmlos erscheinen mag, trägt er zur Aufrechterhaltung, Normalisierung und Legitimierung rassistischen Verhaltens bei (vgl. ebd.: 60).

Zuletzt soll der institutionelle oder auch strukturelle Rassismus genannt werden. Institutioneller Rassismus ist eng mit dem Alltagsrassismus verwandt. Während beim Alltagsrassismus die alltäglichen Erfahrungen der Betroffenen im Mittelpunkt stehen, liegt der Fokus beim institutionellen Rassismus auf den gesellschaftlichen Institutionen, von denen rassistische Äußerungen und Verhaltensweisen ausgehen. Institutioneller Rassismus bedeutet, dass das weiße Privileg systematisch in die Funktionsweise der Gesellschaft, also zum Beispiel die Bürokratie, die Gesetze, die Politik oder auch in unser alltägliches Leben eingewoben ist. Diese Form des Rassismus ist schwieriger zu erkennen und zu bekämpfen, weil sie subtiler wirkt. Institutioneller Rassismus betrifft jeden; ob Menschen davon profitieren oder darunter leiden, hängt jedoch von ihrer Hautfarbe oder ihrer gefühlten „kulturellen“ und religiösen Zugehörigkeit ab. Institutioneller Rassismus kann auch von Einzelpersonen ausgeübt werden, die sich – bewusst oder unbewusst – „berechtigt“ fühlen, zu diskriminieren oder gewalttätig zu handeln (vgl. ebd.: 62). Der Mord an George Floyd im Jahr 2020 durch einen Polizeibeamten, der in den USA landesweite Proteste gegen rassistische Polizeigewalt auslöste, ist daher ein Beispiel für institutionellen Rassismus.

Auch wenn die Vereinten Nationen 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ausriefen, mit dem Grundsatz, dass alle Menschen gleich und frei an Rechten sind und dass die Würde des Menschen unantastbar ist, gab es auch seitdem zahlreiche rassistisch motivierte Verbrechen bzw. Staatsformen, die auf Rassismus aufbauten, wie etwa die Apartheid in Südafrika bis 19910 oder das System der Rassentrennung in den USA bis in die 1960er Jahre. Der 21. März soll jährlich Anlass dafür geben, nicht nur der Opfer des „Massakers von Sharpeville“ im Jahr 1960 zu gedenken, sondern auch global Aktionen gegen rassistische Diskriminierung zu fördern und gegen Rassismus in unserer heutigen Gesellschaft zu mobilisieren.

Quellen