Zahlen und Fakten: Frauen in Entscheidungspositionen

Der gleichberechtigte Zugang zu demokratischen Rechten unabhängig vom Geschlecht ist bereits in den EU-Gründungsverträgen festgeschrieben. Es hat sich jedoch gezeigt, dass sich – trotz breiter politischer und gesellschaftlicher Zustimmung zum Ziel der Gleichberechtigung – einige Strukturen beharrlich resistent gegen Veränderungen zeigen (vgl. EIGE 2020: 3). Daher gibt es auf EU- und nationaler Ebene verstärkt Initiativen, Ziele festzulegen sowie Fortschritte und Defizite im Bereich der Geschlechtergleichstellung systematisch zu evaluieren.

Eine Maßnahme ist der vom Europäischen Institut für Geschlechtergleichstellung (EIGE) entwickelte Gender Equality Index, der Stand und Fortschritt der Geschlechter(un-)gleichheit misst (vgl. EIGE 2020). Aufgeteilt in die Bereiche „Macht“, „Arbeit“, „Geld“, „Wissen“, „Zeit“, „Gesundheit“, „intersektionale Ungleichheit“ und „Gewalt“ werden auf Basis eines multidimensionalen Konzeptes vergleichbare leicht verständliche Werte berechnet und benutzerfreundlich dargestellt (vgl. ebd.). In Bezug auf Geschlechterdemokratie sind prinzipiell alle Faktoren relevant, da sie gemeinsam einen Maßstab für den Grad der erreichten Gleichberechtigung ergeben. Besonders interessant ist aber der Faktor der (Entscheidungs-)Macht. Dafür wird anhand des Frauenanteils in politischen Positionen (Ministerien, Parlamenten, regionalen Versammlungen) die politische, und anhand des Frauenanteils in Aufsichtsräten und Zentralbanken die ökonomische Macht gemessen. Auf EU-Ebene ergibt sich dabei auf einer Skala von 1 (totale Ungleichheit) bis 100 (totale Gleichstellung) für 2020 ein Wert von 53,5 Punkten (56,9 Punkte im Bereich der politischen Macht und nur 46,8 Punkte im Bereich der ökonomischen Macht). Österreich schneidet mit 44,2 Punkten noch schlechter ab als der EU-Durchschnitt, wobei hier ein starker Unterschied zwischen politischer und ökonomischer Macht festgestellt werden kann – erstere wird mit 65,9 Punkten bemessen, zweitere mit lediglich 24,4 Punkten (vgl. ebd.).

Derartige Statistiken sind ein wichtiges gleichstellungspolitisches Instrument, da sie helfen, Fortschritte und konkrete Defizite zu messen. Es ist aber wichtig zu bedenken, dass sie immer nur Ausschnitte aus der Realität erfassen können und die Indikatoren nicht unproblematisch sind. Geringe Frauenanteile in Aufsichtsräten und politischen Positionen etwa sagen zwar etwas über den Ausschluss von Frauen aus, mehr Frauen sind aber nicht unbedingt gleichbedeutend mit frauenfreundlicherer Politik (vgl. Phillips 1995: 116). Auch darf nicht vergessen werden, dass politische und ökonomische Führungspositionen tendenziell nur einer kleinen Elite an Frauen offen stehen. Es ist dringend notwendig, ausgeglichene Geschlechterverhältnisse in Macht- und Entscheidungsebenen zu schaffen, dennoch wäre es falsch zu glauben, dass sich dadurch automatisch für alle Frauen etwas verbessert. Nichtsdestotrotz sind Quoten und Statistiken über Frauenanteile ein notwendiges und aussagekräftiges Instrument, das Gleichberechtigung fördert und Vergleichbarkeit schafft.

Die Zielsetzungen der Europäischen Union sahen lange Zeit keine Instrumente zur Überwindung einer strukturellen Geschlechterungleichheit vor: Bis in die 1980er Jahre war eine aktive Gleichstellungspolitik auf EU-Ebene kein Thema. Das Konzept Gender Mainstreaming wurde beispielsweise erst im Jahre 1997 im Vertrag von Amsterdam auf EU-Ebene verankert (vgl. Sauer 2001). Obwohl die Bemühungen in den letzten Jahren etwas an Fahrt aufgenommen haben, ist man auch in den EU-Organen selbst von ausgewogenen Geschlechterverhältnissen noch weit entfernt: Während es mit Ursula von der Leyen die erste Präsidentin der EU-Kommission gibt und es in der Kommission einen Frauenanteil von nur knapp unter 50 % gibt, schafft es das Parlament schon nur mehr auf knapp über 40 % an weiblichen Mitgliedern. In allen anderen Organen und Institutionen sind Frauen nach wie vor enorm stark unterrepräsentiert. Dies spiegelt nicht zuletzt auch die Unterrepräsentation auf nationalstaatlicher Ebene wider.

Schwarzer Anzug, korrekt gebundene Krawatte

© CC BY-NC-ND 2.0 Arron Hoare (Crown Copyright)

Bilder von Menschen in politischen Ämtern zeigen zumeist Männer. Frauen sind in politischen Ämtern zahlenmäßig immer noch weniger stark vertreten. Struktur, Institutionen und Rituale des politischen Lebens in den liberalen Demokratien sind für den Verlauf traditioneller Lebensentwürfe konzipiert: Dies bedeutet, dass Politiker in der Regel einen durchgängigen Verlauf und Aufstieg der politischen Karriere vorzuweisen haben und die familiäre Betreuungsarbeit den Ehefrauen überlassen. Im Gegensatz dazu sind Spitzenpolitikerinnen oft kinderlos oder starten die politische Karriere erst, wenn die Kinder bereits älter sind. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird als Herausforderung für Politikerinnen gesehen, nicht aber für Politiker. Als 2006 erstmals eine Ministerin (die damalige Justizministerin Karin Gastinger, BZÖ) in ihrer Amtszeit ein Kind zur Welt brachte, fehlten beispielsweise diesbezügliche Mutterschutzregelungen. Die Anforderungen an das Amt waren und sind für eine männliche Biographie mit durchgehender politischer Laufbahn vorgesehen.

In Zusammenhang mit der Corona-Pandemie wurde der Mangel an Frauen in Entscheidungsprozessen erneut stark sichtbar – während Frauen in den Spitälern unermüdlich im Hintergrund arbeiten, sind es in der Krise überwiegend Männer, die wichtige Entscheidungen treffen und diese kommunizieren. Dieses Ungleichgewicht bedeutet, dass Frauen von Entscheidungen, die ihr eigenes Leben betreffen, ausgeschlossen sind.

Bis dato kann wie bereits aufgezeigt weltweit nicht von gleicher Teilhabe von Frauen und Männern in den Parteien, Parlamenten, Regierungen oder Interessensvertretungen gesprochen werden. Frauen im politischen System sind quasi als „integrierte Außenseiterinnen“ („outsiders within“, Harding 1994) zu sehen. In unkonventionellen Bereichen politischer Partizipation wie etwa bei sozialen Bewegungen, Bürger*inneninitiativen etc. ist hingegen die Beteiligung in etwa gleich verteilt (vgl. Rosenberger/ Sauer 2004).

Quellen