Die Rolle der Medien

Medien stellen eine wichtige Säule der Demokratie dar, ihnen kommt eine Kontrollfunktion zu. Die klassischen Medien befinden sich jedoch in einem Transformationsprozess und geraten immer mehr unter Druck, oftmals ist auch die Rede von der „Krise der klassischen Medien“ (vgl. Jarren/Altmeppen 2012). Neben dem wirtschaftlichen Druck sehen sich Medien mit einer Krise der Glaubwürdigkeit konfrontiert: Nachrichten werden nicht mehr nur über klassische Kanäle wie Fernsehen oder Zeitungen konsumiert, und neben den Online-Portalen dieser Zeitungen entstehen andere Nachrichtenseiten, die häufig eine fundamentale Oppositionsrolle einnehmen, teilweise antidemokratische Ziele verfolgen und deren Intentionen nicht immer auf den ersten Blick erkennbar sind. Diese Portale erlangen vor allem durch die zahlreichen Verlinkungen in den Sozialen Netzwerken immer größere Bekanntheit.

Insbesondere mit dem Erscheinen von PEGIDA („Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“) in Deutschland wurde zudem der Begriff der „Lügenpresse“ wieder aufgegriffen und verbreitet (Kapitel Debattenkultur im Netz). Der Vorwurf an die klassischen Medien lautet, diese würden nicht die „ganze Wahrheit“ berichten, seien gleichgeschaltet und von wirtschaftlichen Interessen gesteuert. Widersprüchlich daran ist, dass beispielsweise PEGIDA auf Facebook dennoch regelmäßig Artikel aus traditionellen Medien teilte – wenn der Inhalt der Berichterstattung den Einstellungen der PEGIDA-AnhängerInnen entsprach. Wie Der Standard erhob, wurden jedoch wesentlich öfter Beiträge von unseriösen Seiten wie epochtimes.de oder pi-news.net geteilt, die regelmäßig Falschmeldungen und verschwörungstheoretische Inhalte verbreiten. Mit rund 205.000 AbonnentInnen hatte die Facebook-Seite von PEGIDA eine enorme Reichweite. Unterstützt durch Algorithmen führen Reichweiten wie diese dazu, dass eine steigende Anzahl an Menschen nur mehr sogenannte „alternativen Medien“ konsumiert und ihnen zu glauben beginnt. Die Journalistin Ingrid Brodnig (2016: 57) spricht in diesem Zusammenhang auch von „Informationskriegern“, rechten Verschwörungstheoretiker*innen, „die an einen ‚Informationskrieg‘ glauben, bei dem die Bevölkerung von den Eliten gezielt belogen wird.“ Personen, die glauben, sich in einem solchen „Krieg“ zu befinden, erachten gegenseitigen Respekt nicht mehr für notwendig und heizen die Stimmung online gezielt an. Ihr Verhalten ist gekennzeichnet durch unbeirrbare Überzeugung, einen Heldenmythos, Abschottung und aggressive Tonalität (vgl. Brodnig 2016: 59f.).

Die Strategie, seriöse Medien – die sich in Österreich beispielsweise im Presserat selbstregulierend zusammenfinden und sich gewissen medienethischen Qualitätskriterien (vgl. presserat.at) verpflichten – als unseriös darzustellen, findet ebenso Eingang in die Politik. So verweigerte US-Präsident Donald Trump während einer Pressekonferenz einem CNN-Reporter, der kritisch über ihn berichtet hatte, mit der Feststellung „You are fake news“, eine Frage zu stellen (vgl. theguardian.com). Bekannt wurde auch die Aussage von Trumps Beraterin Kellyanne Conway, die in Bezug auf die genannte Anzahl an Personen, die der Angelobung beiwohnten, von „alternative facts“ sprach (vgl. derstandard.at).

 

Falschmeldungen im Netz

Eine große Herausforderung im Netz sind Falschmeldungen, die sich rasant verbreiten (Abschnitt Österreichische Initiativen/Best-Practice-Beispiele) und eine bereits vorgefertigte Meinung (z.B. Vorurteile gegenüber gewissen Gruppen) verstärken können.

Falschmeldungen werden zum Teil gegen Bezahlung erfunden und verbreitet, ein Umstand, der erst dadurch bekannt wurde, dass manche professionellen „Lügenerfinder“ in der Öffentlichkeit über ihre Tätigkeit berichteten (vgl. z.B. jetzt.detagesanzeiger.chzeit.de). Über sogenannte Klickfarmen – Betriebe, die häufig in als Entwicklungsländer bezeichneten Staaten angesiedelt sind und mit Hilfe gefälschter Accounts produzierte Likes billig verkaufen – werden Inhalte rasch in Sozialen Netzwerken gestreut (vgl. theguardian.com). Dies betrifft vor allem englischsprachige Seiten.

Ein großer Teil jener Nachrichten, die online die größte Verbreitung erzielen, sind Fake News. Dieses Phänomen tritt zwar im deutschsprachigen Raum weniger häufig auf, hat aber einer Analyse des Medienportals Buzz Feed zufolge im Zuge der US-Wahl 2016 eine wichtige Rolle gespielt. Das Portal untersuchte die vierzig erfolgreichsten Artikel, die sich in den drei Monaten vor der US-Wahl mit Wahlkampfthemen befassten. Die Analyse ergab, dass von den zehn Meldungen mit den meisten Interaktionen die Hälfte Falschmeldungen waren. Die zwanzig Falschnachrichten, die sich am meisten verbreiteten, erhielten 8,7 Millionen Interaktionen (Teilen, Reagieren, Kommentieren), die zwanzig am stärksten verbreiteten Artikel von renommierten Medien dagegen kamen nur auf 7,3 Millionen Interaktionen. Siebzehn der untersuchten zwanzig Falschmeldungen waren dem Präsidentschaftskandidaten Donald Trump gegenüber positiv oder der Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton gegenüber negativ gestimmt (vgl. buzzfeed.com).

Die Verbreitung von Falschnachrichten stellt ein demokratiepolitisches Problem dar, da Meinungen auf Basis von falschen Informationen gebildet und in weiterer Folge Wahlergebnisse beeinflusst werden können. Soziale Netzwerke, allen voran Facebook, werden deswegen heftig kritisiert, besonders nach dem Ausgang der US-Wahl 2016 (vgl. z.B. zeit.de; kurier.attheguardian.com) Facebook hat daher verschiedene Maßnahmen zur Bekämpfung von Fake News angekündigt, die sowohl in den USA als auch in Europa umgesetzt werden sollen (vgl. about.fb.com):

  1. Erleichtertes Melden von Falschmeldungen
  2. Prüfung der gemeldeten Artikel durch externe Organisationen nach Poynter’s International Fact Checking Code of Principles (vgl. poynter.org). Facebook leitet verdächtige Inhalte an externe Organisationen weiter – diese geben dann ihre Einschätzung ab. Laut Medienberichten arbeitet Facebook dafür in den USA mit den Fact-Checking-Seiten Snopes, PolitiFact und FactCheck.org sowie mit ABC News zusammen (vgl. zeit.de). Identifizierte Fake News werden dann auf Facebook mit dem Warnhinweis „Disputed by 3rd Party Fact-Checkers“ gekennzeichnet. Die Begründung für die jeweilige Einschätzung können User*innen auf den Seiten der Organisationen nachlesen. In Deutschland soll diese Kennzeichnung ebenso bald gestartet werden, dafür will Facebook mit dem Recherchebüro Correctiv zusammenarbeiten. Erste Kritik an der Maßnahme macht sich jedoch bereits bemerkbar: so wird die Kennzeichnung der Fake News als „disputed“, also „umstritten“, kritisiert, da dies Falschnachrichten teilweise verharmlosen würde (vgl. z.B. futurezone.atbasicthinking.de). Zusätzlich ist auch zu hinterfragen, wie unabhängig FaktencheckerInnen sein können und müssen.
  3. Verbesserung des News-Feeds. Diese Maßnahme soll darauf abzielen, dass irreführende Informationen weniger häufig im Newsfeed erscheinen. Der Maßnahme liegt die Annahme zugrunde, dass Artikel, die oft gelesen, aber nicht geteilt werden, irreführende Informationen enthalten könnten. Welche Parameter zur Umsetzung dieser Maßnahme herangezogen werden, bleibt jedoch offen.
  4. Unterbinden finanzieller Anreize für Spammer Facebook erklärt, dass das Verbreiten von Falschmeldungen oft finanziell motiviert ist: Spammer geben sich als Nachrichtendienst aus und bringen User*innen durch Falschmeldungen auf ihre Seiten, die Werbung enthalten. Dies soll vermieden werden, indem Fake-Domains – also Domains, bei denen der Name nicht dem dahinterstehenden Inhalt entspricht – auf Facebook unterbunden werden. Zusätzlich analysiert Facebook publizierende Seiten, um die Notwendigkeit weiterer Maßnahmen abklären zu können.

Besonders die rechtspopulistische Internet-Seite Breitbart News hat im US-Wahlkampf zahlreiche Falschmeldungen verbreitet, um Trump zu unterstützen (vgl. z.B. tagesschau.de; bbc.commedium.com). Ein US-amerikanisches Forscherteam, das über 1,25 Millionen Artikel, die zwischen dem 1. April 2015 und dem 8. November 2016 publiziert wurden, analysiert hat, kommt zum Schluss, dass sich ein rechtes Mediennetzwerk, welches sich rund um das Portal Breitbart formiert hat, zu einem isolierten Mediensystem entwickelte. Dieses nutzte die sozialen Medien, um die stark parteiischen Artikel zu verbreiten, was wiederum Auswirkungen auf die gesamte mediale Agenda hatte. Es seien jedoch nicht Fake News im Sinne völlig erfundener Artikel – vielmehr sei es Desinformation: Informationen, die vielleicht teilweise korrekt sind, wurden zielgerichtet falsch wiedergegeben (vgl. Benkler/Faris/Roberts/Zuckerman 2017).

Breitbart hat angekündigt, unter anderem nach Deutschland expandieren zu wollen. Um dem rechten Mediennetzwerk dort entgegenzutreten, formierten sich JournalistInnen und AktivistInnen unter dem Namen Schmalbart, mit dem Ziel, Medienangebote durch Versachlichung kritisch zu begleiten und Populismus aufzudecken. Interessierte konnten sich dem Netzwerk anschließen und eigene Ideen einbringen.

Im deutschsprachigen Raum gibt es verschiedene Seiten, die User*innen bei der Überprüfung von Meldungen, bei denen es sich um Fake News handeln könnte, helfen sollen. Zu nennen wäre hier beispielsweise die aus einer privaten Initiative hervorgegangene Seite www.hoaxmap.org (von englisch Hoax: Falschmeldung), auf der vor allem Falschmeldungen über Geflüchtete auf einer europäischen Landkarte angezeigt werden. Darüber hinaus liefert ein Blog auf der Seite Hintergrundinformationen zum Thema Falschmeldungen. Der Verein Mimikama (Abschnitt Österreichische Initiativen/Best-Practice-Beispiele) bietet unter hoaxsearch.com eine Suchfunktion für Fake News an. Für die Verifizierung von Bildern bietet sich die umgekehrte Bildersuche an, beispielsweise über images.google.com oder tineye.com. Für die Überprüfung von Videos kann der YouTube Data Viewer von Amnesty International genutzt werden.

 

Wie begegnen klassische Medien den aktuellen Herausforderungen?

Die Medien haben unterschiedliche Strategien entwickelt, wenn es darum geht, Hasskommentaren in ihren Online-Foren entgegen zu treten, konstruktiven Austausch zu fördern oder dem Vorwurf der „Lügenpresse“ zu entgegnen.

Vor dem Hintergrund zahlreicher – teilweise strafrechtlich relevanter – Hetz- und Hasskommentare auf den Websites der Medien, launchte beispielsweise die Tageszeitung Kurier gemeinsam mit dem Wochenmagazin Profil 2016 die gemeinsame Medieninitiative „Gegen den Hass im Netz“ mit dem Ziel, so KURIER.at-Chefredakteur Stefan Kaltenbrunner, „das Bewusstsein für die Problematik zu schärfen und somit einen Anstoß zu einem zivilisierteren Umgang im Netz zu propagieren“ (vgl. ots.at). Die beiden Medien veröffentlichten regelmäßig Informationen zum Thema in Form von Artikeln und Videos. Journalist*innen teilen ihre Erfahrungen außerdem zunehmend in der Öffentlichkeit, um für das Thema zu sensibilisieren. Vor allem weibliche Journalistinnen müssen sich mit Hass und sexistischen Kommentaren online auseinandersetzen – Erfahrungen, die Barbara Kaufmann, Corinna Milborn, Hanna Herbst und Ingrid Thurnher im Rahmen einer Falter-Coverstory an die Öffentlichkeit trugen (vgl. falter.at). Im Rahmen der darauffolgenden Kampagne #solidaritystorm der Initiative #aufstehn solidarisierten sich mehr als 14.000 Personen mit den Journalistinnen (Abschnitt Österreichische Initiativen/Best-Practice-Beispiele).

Neben der Schaffung von Öffentlichkeit für das Thema „Hass im Netz“, sind für Online-Medien Fragen der (Selbst-)regulierung und Moderation auf den eigenen Plattformen immer dringender geworden. So beschäftigt sich beispielsweise das Team von derstandard.at bereits seit 2014 mit der Frage, wie Online-Diskussionen innerhalb der eigenen Foren mehr Qualität erlangen können. Im Rahmen des Projekts Verständnis durch Verständigung sollen unterschiedliche Perspektiven beleuchtet werden:

  • jene der Personen, die im Forum posten
  • die Position der Journalist*innen sowie
  • jene der Personen, welche die Foren moderieren und deren Präsenz in den letzten Jahren stark gestiegen ist (vgl.derstandard.at)

Diese steigende Präsenz erklärt sich unter anderem durch den Versuch, möglichst wenige Postings zu löschen: Die Anzahl der gelöschten Postings auf derstandard.at ist laut eigenen Angaben rückläufig (2016: 5,1 Prozent), die Anzahl der Postings insgesamt steigt jedoch konstant (2016: 9,1 Millionen Postings; Steigerung um 19 Prozent im Vergleich zu 2015). Stattdessen setzt man auf verstärkte Moderation der Inhalte und forciert den Dialog zwischen den beteiligten Akteur*innen wie Moderator*innen und Poster*innen (vgl. derstandard.at). Auch andere Medien wie Die Zeit bemühen sich, die Arbeit der Moderator*innen transparent zu machen (vgl. zeit.de). Online-Medien bedienen sich außerdem im Rahmen ihrer Foren teilweise der Klarnamenpflicht oder stellen die klassische Kommentarfunktion ab, wie dies z.B. die Süddeutsche Zeitung auf ihrem Onlineportal getan hat. Dialog soll dort im Rahmen von ausgewählten Tagesthemen stattfinden, zudem verlinkt die Süddeutsche Zeitung auf das Portal rivva.de, auf dem die öffentliche Debatte zum jeweiligen Artikel in den sozialen Netzwerken und auf anderen Seiten nachgezeichnet wird (vgl. sueddeutsche.de). Auf der Online-Plattform der britischen Tageszeitung The Guardian wird die Kommentarfunktion nur für ausgewählte Inhalte freigeschaltet: „[W]here comments are likely to add value (for us and other readers) in terms of additional insight, perspective or knowledge, and where we have time and resource to be involved in the conversation, we try to ensure commenting is turned on” (vgl. theguardian.com).

Was die Reaktion klassischer Medien auf den Vorwurf rechtspopulistischer Akteur*innen, sie würden nicht „die ganze Wahrheit berichten“, betrifft, so ist es laut Ingrid Brodnig wichtig, dass sich der Medienjournalismus verteidigt. Den Menschen muss erklärt werden, dass es nicht darum geht, Dinge bewusst nicht zu berichten, sondern dass Medien immer selektieren und Nachrichten gewichten, um eine ausgewogene Balance in der Medienberichterstattung zu erhalten (vgl. ndr.de). Diese Aufklärung versucht beispielsweise ZEIT ONLINE in Form des Transparenz-Blogs zu schaffen, auf dem die Redaktion selbstreflexiv über die eigene Berichterstattung sowie die Auswahl und Gestaltung von Beiträgen schreibt. Teilweise setzen Medien als Glied zwischen Leser*innen und Redaktion auch Ombudspersonen ein, die vermittelnd und erklärend eingreifen. Der deutsche Kommunikationswissenschafter Oliver Quiring begrüßt zudem den Trend, Journalist*innen mit Bild zu zeigen, um zu verdeutlichen, dass hinter den Beiträgen ebenso Menschen stecken (vgl. zeit.de).

 

KONSTRUKTIVER JOURNALISMUS

Dass etablierte Medien mehr gesellschaftliche Verantwortung übernehmen wollen bzw. sollen, zeigt auch die Diskussion um „Konstruktiven Journalismus”. Darunter versteht man, dass Medien nicht „nur” berichten, sondern auch konstruktive Lösungen anbieten. Das Spiel mit negativen Emotionen, die zu Passivität und Rückzug führen, wird umgedreht: „Ähnlich wie in der Werbung sollen dabei die Journalismus-Nutzer durch positive Emotionen ihren Gemütszustand in Richtung Zuversicht ändern und im besten Fall zu einer Handlung veranlasst werden. Journalismus soll damit zur Startrampe für den Absprung in eine bessere Welt werden” (vgl. zeit.de). Der Begriff wurde vom dänischen Journalisten und Autor Ulrik Haagerup in seinem 2015 erschienen Buch „Constructive News” eingeführt. Ein oft genanntes Beispiel für den lösungsorientierten Journalismus ist die deutsche Plattform Perspective Daily: „Wir schreiben Artikel mit Blick nach vorn. Uns reicht es nicht, nur über Probleme zu berichten, sondern wir fragen täglich: Wie können wir helfen, es besser zu machen?”

David Röthler