Maßnahmen auf juristischer Ebene

Ein großes Problem bei der Bekämpfung von Hate Speech besteht im Spannungsfeld zwischen der Notwendigkeit, Hassrede einzudämmen, aber gleichzeitig das Grundrecht auf Redefreiheit nicht einzuschränken. Die Definition von Hate Speech ist dabei eine wichtige Grundlage.

 

Der Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern definiert Hate Speech folgendermaßen:

„Hate Speech, auf Deutsch in etwa ,Hassreden‘, bezeichnet alle Ausdrucksformen, die Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, oder andere Formen von auf Intoleranz gegründeten Hass, inklusive der Intoleranz, die sich durch aggressiven Ethnozentrismus, Diskriminierung und Feindlichkeiten gegenüber Minderheiten, Migranten und Personen mit Migrationshintergrund äußern, verbreiten, erwecken, fördern oder rechtfertigen – so eine verbreitete Definition. Allerdings kann sich der Inhalt genauso auf das Geschlecht, die Sexualität, eine Behinderung oder das Alter beziehen, hate speech können jede Form der Intoleranz beinhalten. Eine weitere Erscheinungsform stellen Leugnungen dar, die oft im Zusammenhang mit dem Holocaust auftreten. Diese Verleugnungen enthalten einerseits den Vorwurf an die Opfer zu lügen sowie andere zu verunglimpfen und andererseits zugleich eine Rechtfertigung oder Verherrlichung der tatsächlichen Geschehnisse.“ (vgl. klagsverband.at)

Mit dem neuen Paragraphen gegen Cybermobbing (Paragraph 107c, StGB, seit 01.01.2016 in Kraft) und der Verschärfung des Strafgesetzbuches bezüglich Verhetzung (Paragraph 283, StGB) wurden die rechtlichen Möglichkeiten im Kampf gegen Hass im Netz erweitert. Der Verhetzungsparagraph wurde mit 1. Jänner 2016 erneuert: Durch die Neuformulierung wird klargestellt, dass auch die pauschale Hetze gegen „Ausländer*innen“, „Migrant*innen“, „Flüchtlinge“ und „Asylwerber*innen“ vom Anwendungsbereich erfasst wird. Des Weiteren wird die Öffentlichkeit nun ab 30 Personen definiert.

 

Mögliche Straftatbestände bei Hass im Netz

Bei einer großen Anzahl an Delikten, die in Bezug auf das Thema Hass im Netz vorliegen können, handelt es sich um Offizialdelikte. So werden strafbare Handlungen bezeichnet, die von der Staatsanwaltschaft von Amts wegen verfolgt werden, weil es von öffentlichem Interesse ist. Ein Offizialdelikt kann von jeder Person – unabhängig von der persönlichen Betroffenheit – zur Kenntnis gebracht werden. Daher kommt auch User*innen, die nicht selbst von Hass im Netz betroffen sind, sondern illegale Inhalte im Netz „nur“ beobachten, eine wichtige Rolle zu, wenn es um die rechtliche Verfolgung dieser Delikte geht.

 

Unter Offizialdelikte fallen folgende Tatbestände:

  • Gefährliche Drohung
  • Verstoß gegen das Verbotsgesetz/NS-Wiederbetätigung
  • Aufforderung zu mit Strafe bedrohten Handlungen und Gutheißung mit Strafe bedrohter Handlungen
  • Verleumdung
  • Verhetzung
  • Cybermobbing

 

Gesetzliche Definition von Verhetzung

Eine Verhetzung begeht, wer

  • vor vielen Menschen (ab circa 30 Personen),
    zur Gewalt oder zu Hass gegen Personen aufruft bzw. anstachelt, und zwar wegen deren
    o Rasse,
    o Hautfarbe,
    o Sprache,
    o Religion oder Weltanschauung,
    o Staatsangehörigkeit,
    o Abstammung oder nationalen oder ethnischen Herkunft,
    o ihres Geschlechts,
    o einer körperlichen oder geistigen Behinderung,
    o ihres Alters oder
    o ihrer sexuellen Ausrichtung.

Eine Verhetzung begeht auch, wer eine der oben genannten Personengruppen so beschimpft, dass

  • diese Gruppe in der öffentlichen Meinung verächtlich gemacht werden könnte oder herabgesetzt wird und
  • damit die Menschenwürde dieser Personen verletzen will.

Auch beim

  • öffentlichen Leugnen,
  • der öffentlichen Billigung,
  • der öffentlichen gröblichen Verharmlosung oder Rechtfertigung von gerichtlich festgestelltem Völkermord oder Kriegsverbrechen handelt es sich um Verhetzung, wenn es gegen eine der oben genannten Gruppen (Religion, Herkunft, Hautfarbe etc.) oder gegen eine Person wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer der oben genannten Personengruppen erfolgt.

Wer verhetzendes Material gutheißt bzw. rechtfertigt und es einer breiten Öffentlichkeit zugänglich macht, begeht ebenfalls eine Verhetzung! Das bedeutet, dass auch das Teilen von verhetzenden Beiträgen in sozialen Medien strafbar sein kann. Es macht rechtlich keinen Unterschied, ob eine Verhetzung in der realen Welt oder im Internet, z.B. in einem Online-Forum, begangen wird. Trotzdem ist nicht jedes rassistische Posting automatisch strafbar. […]

Strafdrohung

Für eine Verhetzung kann das Gericht eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren verhängen. Erfolgt der Aufruf zur Gewalt bzw. die Aufstachelung zu Hass vor einer breiten Öffentlichkeit (ab 150 Personen), beträgt die Freiheitsstrafe bis zu drei Jahre. Hat die Verhetzung tatsächlich zu Gewalt geführt, beträgt die Freiheitsstrafe mindestens 6 Monate und bis zu fünf Jahre. Die gutheißende bzw. rechtfertigende Verbreitung von verhetzendem Material ist mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit einer Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen bedroht. Ist eine Verhetzung zugleich ein Verstoß gegen das Verbotsgesetz (nationalsozialistische Wiederbetätigung), wird die Täterin/der Täter nach dem Verbotsgesetz bestraft.

Quelle: oesterreich.gv.at

Gesetzliche Definition von Cyber-Mobbing

Seit dem 1. Jänner 2016 ist „Cyber-Mobbing“ strafbar . Der im Strafgesetzbuch (StGB [Paragraph 107c]) verwendete Titel des Delikts lautet „Fortgesetzte Belästigung im Wege einer Telekommunikation oder eines Computersystems“.

Wegen „Cyber-Mobbings“ strafbar macht sich, wer im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines Computersystems in einer Weise, die geeignet ist, eine Person in ihrer Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen, eine längere Zeit hindurch fortgesetzt

  • eine Person für eine größere Zahl von Menschen wahrnehmbar an der Ehre verletzt oder
  •  Tatsachen oder Bildaufnahmen des höchstpersönlichen Lebensbereiches einer Person ohne deren Zustimmung für eine größere Zahl von Menschen wahrnehmbar macht.

Bei Verstoß gegen die Strafbestimmung „Cyber-Mobbing“ ist mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu rechnen.

Hat die Tat den Selbstmord oder einen Selbstmordversuch der verletzten Person zu Folge, so ist die Täterin/der Täter mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren zu bestrafen.

Quelle: oesterreich.gv.at

 

Privatanklagedelikte liegen vor, wenn die Strafverfolgung der Täterin/des Täters nur auf Verlangen der von der Straftat direkt betroffenen Person erfolgen kann. Unter Privatanklagedelikte fallen folgende Tatbestände:

  • Üble Nachrede
  • Beleidigung

Liegt dem Tatbestand ein rassistisches Motiv zugrunde, wird es zum Ermächtigungsdelikt: Die Staatsanwaltschaft muss – mit Ermächtigung des/der Betroffenen – ein Strafverfahren einleiten. Bei Unsicherheit, ob es sich um einen strafrechtlich relevanten Inhalt handelt, empfiehlt es sich, sich nach der Sicherung des Materials an eine Melde- oder Beratungsstelle zu wenden. Beim Thema Hass im Netz gibt es besondere Herausforderungen, die z.B. durch unterschiedliche nationale Gesetzeslagen entstehen können, wie auch Otfried Jarren darlegt: „Da sich Anbieter und Angebote nicht (mehr) trennscharf voneinander abgrenzen lassen und da der gesamte Bereich einer großen Dynamik unterliegt, lässt er sich nur schwierig mittels des traditionellen Rechts regulieren. Eine, zumal eine nationalstaatliche, Top-down-Regulierung wäre zudem wenig effektiv – da ein Großteil der Anbieter international agiert“ (Jarren 2013: 245f.). So stellt sich immer wieder die Frage, welches Recht für Facebook gilt, das seinen Firmensitz in den USA hat und sich wiederholt auf US-amerikanisches Recht berufen hat. Der europäische Sitz des Unternehmens befindet sich in Irland, weswegen es in jüngerer Vergangenheit Klagen europäischer Kläger*innen gegen Facebook Irland gab (Kapitel Facebooks besondere Rolle). Es ist schwierig, gegen Internetseiten vorzugehen, die zwar nach österreichischem Recht rechtswidrige Inhalte verbreiten, aber beispielsweise auf Servern in den USA gehostet werden. Ein Beispiel dafür ist die Internetseite Alpen-Donau.info, die von 2009 bis 2011 rechtsextreme Inhalte, die gegen den Verhetzungsparagraphen und gegen das Verbotsgesetz verstießen, verbreitet hat und die erst nach erheblichen Anstrengungen vom Netz genommen wurde. Im Zusammenhang mit der Seite wurde der bekannte Neonazi Gottfried Küssel gemeinsam mit zwei anderen Beschuldigten zu mehrjähriger Haftstrafe wegen Wiederbetätigung verurteilt. Die Seite wurde Anfang 2014 neu gestartet, im gleichen Jahr aber wieder eingestellt (vgl. Der Standard).

Eine weitere Schwierigkeit bei der Bekämpfung von Hass im Netz besteht darin, dass Soziale Netzwerke nicht als Medienunternehmen, sondern als Technologieunternehmen gelten und daher Regelungen, die klassische Medien betreffen, nicht angewandt werden können. Es gibt daher immer wieder Forderungen, Facebook als Medienunternehmen einzustufen, um Medienrecht anwendbar zu machen – eine Idee, die beispielsweise vom deutschen Justizminister Maas oder auch dem österreichischen Medienminister Drozda unterstützt wurde (vgl. der Standard). Auch wenn eine solide Gesetzeslage als Basis für die effiziente Bekämpfung von Hass im Netz notwendig ist, greift die rechtliche Ebene allein zu kurz. Nicht jedes Hassposting ist strafbar, stellt aber trotzdem eine Form der Gewalt dar, die weitere Gewalt (auch außerhalb des Netzes) nach sich ziehen kann. Es handelt sich bei Hass im Netz um ein gesamtgesellschaftliches Problem, dem auf verschiedenen Ebenen begegnet werden muss. Angesichts des Ausmaßes an Hetze und Diskriminierung im Internet kann gesellschaftliche Verantwortung nicht mehr auf die Offline-Welt beschränkt sein. Es geht auch um Bewusstseinsbildung, die Förderung von Medienkompetenz und digitaler Zivilcourage, um Sprache, Gesprächskultur und Respekt (Kapitel Präventive Maßnahmen im Bildungsbereich). Einen wesentlichen Beitrag dazu leistet das Engagement seitens der Zivilgesellschaft.