Seit 2013 besteht für Wiener*innen die Möglichkeit, Forderungen, Anregungen oder Beschwerden in Angelegenheiten des Landes Wien und der Bezirke per Petition an den „Gemeinderatsausschuss Petitionen und BürgerInneninitiativen“ zu richten. Damit wurde auf Gemeindeebene eine institutionalisierte Petitionsform geschaffen, die bereits bestehende Möglichkeiten auf EU- sowie Bundesebene komplettiert.
Petitionen als Demokratie-Instrumente
Petitionen können generell als verschriftlichte Bitten oder Forderungen an politische Autoritäten verstanden werden. Die Geschichte der Petitionsform reicht bis ins pharaonische Ägypten zurück. Auch im europäischen Mittelalter oder zu Zeiten der Kolonialisierung Südamerikas spielten Petitionen als Bitten an monarchische und autokratische Herrscher eine wichtige Rolle für die Meinungsäußerung der Bevölkerung (Voss 2012: 1). Petitionen haben also eine globale Geschichte und sind keineswegs genuin an demokratische politische Systeme gebunden.
Trotz ihres geschichtlichen Ursprungs als Bittrecht nahmen Petitionen allerdings eine wichtige Rolle in der Entwicklung liberaler europäischer Demokratien ein. Laut dem Sozialhistoriker Heerma van Voss waren Petitionen auf dem Weg zur Entwicklung parlamentarischer Demokratien eine zentrale Möglichkeit für die Bevölkerung, politische Meinungen und Forderungen zu organisieren und auszudrücken. Um Forderungen Einfluss auf Gesetzgebung und Herrschaft zu verschaffen, wurde die Unterstützung für Petitionen oftmals auf der Straße mobilisiert und bei Petitionsübergaben auch in Massen demonstriert. Petitionen als Instrumente, um dem „Volkswillen“ Nachdruck zu verleihen, fungierten somit als wichtige Kristallisationspunkte für die Entwicklung liberaler Bürger*innenrechte wie bspw. der Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit. Nicht selten gingen sie Revolutionen voraus und wurden von nichtdemokratischen Herrschern ob ihres populären Mobilisierungspotentials verboten oder eingeschränkt. In demokratischen Verfassungen wie der US-amerikanischen Bill of Rights oder der im Zuge der Französischen Revolution 1789 formulierten Déclaration des Droits de l‘Homme et du Citoyen wurde das Petitieren schließlich als Bürger*innenrecht festgeschrieben (ebd.: 3ff.). Petitionen haben also durchaus eine bedeutungsvolle Geschichte als demokratisches Instrument der Meinungsäußerung und Mitbestimmung
Auch heute gehören Petitionen zum Standardrepertoire der politischen Partizipation in demokratischen liberal-parlamentarischen Regierungssystemen und können als Ergänzungen zum repräsentativen Delegations- und Entscheidungsfindungsprozess gesehen werden. Neben Wahlen gehören sie gar zu den meist genutzten demokratischen Partizipationsformen (van Deth 2009: 149). In der österreichischen Terminologie werden laut den Politikwissenschaftler*innen Sieglinde Rosenberger und Jeremias Stadlmair Bürgerinitiativen und Petitionen – neben Volksabstimmungen, -befragungen und -begehren – zu den Instrumenten direkter Demokratie gezählt. In Zusammenhang mit dieser Kategorisierung ist allerdings festzuhalten, dass „BürgerInnen auch bei diesen Formen nur in Verbindung mit Akteuren und Institutionen repräsentativer Politik über ein Gestaltungspotential verfügen“ (Rosenberger/Stadlmair 2015: 248).