Direkte Demokratie in Österreich

1919

Auf Landesebene wird in Vorarlberg als erstem Bundesland das Instrument der Volksabstimmung und jenes des Volksbegehrens eingeführt. In den kommenden Jahrzehnten werden diese Instrumente in den Landesverfassungen aller Bundesländer festgeschrieben.

1920

In der österreichischen Bundesverfassung werden Volksabstimmung und Volksbegehren als direktdemokratische Instrumente auf Bundesebene festgeschrieben; sie haben v.a. ergänzenden und kontrollierenden Charakter, der Vorrang wird der repräsentativen Demokratie eingeräumt.

1929

Reform der Bundesverfassung: Stärkung des Bundespräsidenten durch eine Erweiterung seiner Kompetenzen und durch seine Direktwahl durch das Volk.

1945

Nach dem Ende der austrofaschistischen und nationalsozialistischen Herrschaft in Österreich tritt die Bundesverfassung von 1920 in der Form von 1929 wieder in Kraft. Auf Bundesebene existieren wieder die direktdemokratischen Instrumente der Volksabstimmung und des Volksbegehrens.

1958

Das Parlament erlässt Ausführungsbestimmungen für die Durchführung von Volksabstimmungen auf Bundesebene; diese sind die Voraussetzung dafür, dass Volksabstimmungen durchgeführt werden können.

1963

Für die Durchführung von Volksbegehren auf Bundesebene werden vom Parlament Ausführungsbestimmungen erlassen; diese sind die Voraussetzung dafür, dass Volksbegehren durchgeführt werden können. Dies geschah auf Druck österreichischer Chefredaktionen und Journalist*innen, die bereits an einem Volksbegehren zur parteipolitischen Unabhängigkeit des ORF arbeiteten.

1964

Das erste Volksbegehren in der Geschichte der Republik Österreichs (Rundfunkvolksbegehren) wird durchgeführt.

Für die Einleitung eines Volksbegehrens waren 1964 die Unterschriften von 30.000 Bürger*innen oder 15 Mitgliedern des Nationalrates bzw. mindestens ein Fünftel der Landtage dreier Länder notwendig; für die Behandlung eines Volksbegehrens im Parlament war die Unterschrift von 200.000 Stimmberechtigten erforderlich.

1973

Volksbegehrensgesetz: Für die Einleitung eines Volksbegehrens (auf Bundesebene) reicht nun die Unterschrift von 10.000 Bürger*innen, 8 Abgeordneten des Nationalrats oder vier Mitgliedern dreier Landtage.

Die erste Wiener Volksbefragung über den Bau eines neuen Zoologischen Instituts auf dem Gelände des Sternwarteparks in Währing findet statt. Weitere Volksbefragungen in Wien folgen ab 1980.

1975

Nationalratsgeschäftsordnungsnovelle: Die Vorberatungen über Volksbegehren im Nationalrat müssen nach sechs Monaten beginnen, nach weiteren sechs Monaten ist ein Bericht zu erstatten.

1978

Die erste Volksabstimmung in der Geschichte der Republik Österreich findet zur Frage der Inbetriebnahme des Kernkraftwerks Zwentendorf statt (2. Volksabstimmung: 1994 EU-Beitritt Österreichs). Die Österreicher*innen entscheiden sich mehrheitlich gegen das AKW, das daraufhin tatsächlich nicht in Betrieb geht.

1979

In Niederösterreich werden als erstem Bundesland Begutachtungsrechte im Bereich der Gesetzgebung sowie verschiedene Initiativrechte eingeführt. In den folgenden Jahren wird das Bürgerbegutachtungsverfahren ebenso wie die Möglichkeit einer Verwaltungsinitiative auch in den anderen Bundesländern eingeführt.

1981

Die Zahl der erforderlichen Unterschriften für die Behandlung eines Volksbegehrens im Nationalrat wird von 200.000 auf 100.000 gesenkt.

1988

Nationalratsgeschäftsordnungsnovelle: Volksbegehren (auf Bundesebene) müssen nicht mehr in Form eines Gesetzesantrages eingebracht werden, sondern können auch in Form von Anregungen formuliert sein; Schaffung eines eigenen Ausschusses im Parlament für Petitionen und Bürger*inneninitiativen.

1989

Einführung des Instruments der Volksbefragung auf Bundesebene.

1993

Bürger*innenbeteiligung in der Verwaltung: Bürger*innenbeteiligung in der Umweltverträglichkeitsprüfung für bestimmte Projekte, durch die die Umwelt und alle oder einzelne Bürger*innen betroffen sind.

1994

Durch eine Bestimmung (Ermächtigung) in der Bundesverfassung können die Länder durch ein Landesverfassungsgesetz die Bürgermeister*innendirektwahl einführen.

1998

Für die Einleitung von Volksbegehren (auf Bundesebene) ist die Unterstützung von 1 Promille der Wohnbevölkerung Österreichs, die in der Wählerevidenz eingetragen sind (zuvor 10.000 Unterschriften) nötig; die Bestimmung, wonach 8 Mitglieder des Nationalrates oder vier Mitglieder dreier Landtage ein Volksbegehren einleiten können, entfällt. Dadurch soll die Instrumentalisierung der Volksbegehren durch politische (vor allem Oppositions-) Parteien erschwert werden.

2000

In Oberösterreich findet eine Volksbefragung über den Bau eines neuen Musiktheaters in Linz statt. Eine Mehrheit, die sich an der Volksbefragung beteiligt, stimmt dagegen.

2005

In Salzburg findet eine Volksbefragung über die Abhaltung Olympischer Spiele 2014 in Salzburg statt. Die Bürger*innen sprechen sich dagegen aus, die Landesregierung bewirbt sich dennoch (erfolglos).

2010

In Eberau (Burgenland) findet eine Volksbefragung über die Errichtung eines Asylerstaufnahmezentrums statt.
In Wien wird die siebte Volksbefragung seit 1973 abgehalten.

2012

Rege Diskussion über den Ausbau direkter Demokratie im Nationalrat, in der Regierung und unter den Parteien. Erster erfolgreicher Antrag auf eine Volksbefragung (Thema Wehrpflicht) auf Bundesebene. Im Dezember einigte sich die Regierung auf ein Demokratiepaket, das unter anderem die elektronische Unterstützung von Volksbegehren, Bürgeranfragen und die Stärkung des Persönlichkeitswahlrechts zum Thema hat. Nähere Infos unter Debatte: Demokratiereform.

2013

Im Jänner findet die erste bundesweite Volksbefragung zum Thema Wehrpflicht statt. In Wien findet eine im Vorfeld sehr kontrovers diskutierte Befragung zu den Themen Parkpickerl, Olympiabewerbung 2028, Privatisierung kommunaler Betriebe und Bürger*innenkraftwerke statt.

Letztes Update: 11/2013

Quellen

  • Ucakar, Karl (1985): Demokratie und Wahlrecht in Österreich. Zur Entwicklung von politischer Partizipation und staatlicher Legitimationspolitik. Verlag für Gesellschaftskritik, Wien.
  • Rauchenberger, Josef (1984): Stichwort Demokratie. 50 Jahre Zeitgeschehen. PR-Verlag, Wien.
  • Marko, Joseph/Poier, Klaus (1997): Die Verfassungssysteme der Bundesländer: Institutionen und Verfahren repräsentativer und direkter Demokratie, in: Dachs, Herbert u.a. (Hg.): Handbuch des politischen Systems Österreichs. Die Zweite Republik, 3. Auflage. Manz-Verlag, Wien, S. 817-832.
  • Welan, Manfried (2000): Die direkte Demokratie in Österreich im Vergleich. Demokratiezentrum Wien, Wien.