Verfassungsentwicklung in Österreich und der EU

1848

Mit der bürgerlichen Revolution (Märzrevolution) und der Forderung nach einer „Konstitution“ (Verfassung) beginnt die Herausbildung der für den bürgerlichen Staat charakteristischen Institutionen und Strukturen, insbesondere einer Verfassung, eines Parlaments, kommunaler Selbstverwaltung und Freiheitsrechte.

Am Beginn dieser Entwicklung steht die (erlassene) „Pillersdorf`sche Verfassung“ (April 1848), die jedoch nie in Kraft tritt. Sie sieht als Volksvertretung ein Zweikammersystem (Reichstag) vor, das dem Kaiser untersteht. Nach Barrikadenkämpfen in Mai kommt es zur „Sturmpetition“. Eine (breite Bevölkerungsschichten ausschließende) Wahlordnung für den konstituierenden Reichstag in Wien wird erlassen. Im September kommt es zur Grundentlastung, Aufhebung des Untertänigkeitsverhältnisses und Bauernbefreiung, im Oktober zur Revolution. Der konstituierende Reichstag wird nach Kremsier verlegt und arbeitet eine neue Verfassung („Kremsierer Verfassung“) aus. Diese wird nie verabschiedet, aber zum Modell für spätere Verfassungen (auch B-VG 1920). Die Revolution wird im Dezember von der Regierung blutig niedergeschlagen.

1848/49

Auch die Landtage beraten Landesverfassungen.

1849

Nach der Niederschlagung der Revolution kommt es zu einer Restauration der politischen Verhältnisse. Es wird die „Oktroyierte Verfassung“ („Märzverfassung“) erlassen, die ein Zweikammersystem (Ober- und Unterhaus) vorsieht. Sie bedeutet nicht mehr als ein formal gültiges Dokument; regiert wird absolutistisch (modernisierter Obrigkeits- und Militärstaat).

Das Provisorische Gemeindegesetz wird erlassen. Nach diesem ist die Gemeinde die „Grundfeste des freien Staates“.

1851

Das „Silvesterpatent“ tritt an Stelle der „Oktroyierten Verfassung“. Nach diesem hat der Reichsrat nur mehr eine „beratende Funktion“. Das Silvesterpatent begründet die Zeit des Neoabsolutismus (bis 1867).

1860

Infolge außenpolitischer Niederlagen wird das „Oktoberdiplom“ ausgearbeitet. Föderale Elemente werden gestärkt; die Gesetzgebung erfolgt im Wesentlichen in den Landtagen, was auf heftige Kritik, v.a. von Seiten der Liberalen, stößt. Der Reichsrat hat im Wesentlichen nur eine „beratende Funktion“; es bedarf jedoch seiner Zustimmung bei der Beschließung neuer Steuern („föderativer Verfassungsrahmen“).

1861

Das „Februarpatent“ (Grundgesetz über die Reichsvertretung) tritt anstelle des „Oktoberdiploms“ und verstärkt wieder den Zentralismus. Es sieht ein Zweikammersystem vor, wobei sich die Mitglieder des Herrenhauses aus der Hocharistokratie und das Abgeordnetenhaus aus von den Landtagen zu wählenden Abgeordneten zusammensetzen. Die Wahl der Landtage erfolgt über ein Kuriensystem. Beginn des Parlamentarismus. Bereits 1865 wird das „Februarpatent“ wieder aufgehoben. Der Kaiser regiert aufgrund eines Notstandsparagraphen.

1867

Dezemberverfassung: Sie ist die erste nicht vom Kaiser, sondern vom Reichsrat verabschiedete Verfassung (mehrere Staatsgrundgesetze als historischer Kompromiss zwischen Monarch und Bürgertum). Eine liberale Verfassung mit Zweikammersystem (Herren- und Abgeordnetenhaus) wird geschaffen. Österreich wird zu einer konstitutionellen Monarchie. Beginn des Verfassungs-, Gesetzes-, Rechtsstaates; liberale und demokratische Ansätze im obrigkeitlichen Beamten- und Militärstaat, der Kaiser bleibt – bis 1918 – von Gottes Gnaden, „geheiligt, unverantwortlich und unverletzlich“.

Zugleich wird ein neues Vereins- und Versammlungsrecht beschlossen, das für die Etablierung neuer Parteien bedeutsam wird. In den kommenden Jahren entstehen Massenparteien (Christlichsoziale Partei und Sozialdemokratische Arbeiterpartei), die die Demokratisierung vorantreiben.

1873

Reichstagswahlreform: Die Mitglieder des Abgeordnetenhauses werden aufgrund des Zensuswahlrechts in drei Kurien gewählt. Wahlberechtigt sind nur rund 6% der männlichen Bevölkerung ab 24 Jahren; die erforderliche jährliche Mindeststeuerleistung ist örtlich verschieden geregelt und beträgt etwa in Wien 10 Gulden. In der Großgrundbesitzerkurie sind auch „eigenberechtigte“ Frauen, d. h. Frauen, die sich selbst vertreten, wahlberechtigt.

1882

Die Steuerleistung zur Teilnahme an Wahlen wird auf 5 Gulden herabgesetzt (Taaffe`sche Wahlrechtsreform).

1896

Die Badenische Wahlreform schafft eine fünfte, allgemeine, an keinen Wahlzensus gebundene Wählerklasse, durch die alle männlichen Staatsbürger wahlberechtigt werden. Die Stimmen zählen jedoch entlang der einzelnen Kurien unterschiedlich viel; für einen Abgeordnetensitz aus der 5. Wählerkurie sind deutlich mehr Stimmen erforderlich als dies bei der 1. Kurie der Fall ist.

1907

Abschaffung des Kurienwahlrecht und Einführung des allgemeinen Männerwahlrechts. Das aktive Wahlrecht liegt bei 24 Jahren, das passive Wahlrecht liegt bei 30 Jahren. Frauen bleiben von der Wahl ausgeschlossen. Die Wahl erfolgt als absolute Mehrheitswahl (Beck`sche Wahlrechtsreform).

1918

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs (1914-1918) und der Niederlage der österreichisch-ungarischen Monarchie zerfällt die Habsburgermonarchie. Die Provisorische Nationalversammlung proklamiert aufgrund der Oktoberverfassung die demokratische Republik Deutsch-Österreich (12. November 1918) und erklärt sich zum „Bestandteil der deutschen Republik“. Als Staatsgründer fungieren die politischen Parteien. Beschränkungen der subjektiven Beteiligungsrechte (etwa Sesshaftigkeitsklausel) werden aufgehoben. Mit dem Gesetz vom 12. November 1918 über die Staats- und Regierungsform erlangen auch die Frauen das allgemeine und gleiche Wahlrecht. Wie die Parteien in Wien den Gesamtstaat aufbauen, bilden die Parteien in den Ländern die dortige Staatsgewalt.

1919

Für die Wahl der konstituierenden Nationalversammlung Deutsch-Österreichs vom 16. Februar 1919 wird ein eigenes Wahlgesetz geschaffen. Übergang zum Verhältniswahlrecht (Proporzwahlrecht), das v.a. von der Sozialdemokratischen Partei gefordert wird. In der „Märzverfassung“ wird die parlamentarische Demokratie festgeschrieben. Im Staatsvertrag von Saint-Germain wird Österreich die Vereinigung mit Deutschland verboten; es heißt ab nun „Österreich“ und nicht „Deutsch-Österreich“.

1920

Bundesverfassungsgesetz: Österreich ist (bis zur Novelle von 1929) eine stark parlamentarisch geprägte Demokratie mit einem Zweikammersystem (National- und Bundesrat) und bundesstaatlicher Organisationsform; das Parlament ist eindeutig das zentrale und führende Staatsorgan. Die Wahl der Abgeordneten zum Nationalrat erfolgt in einer direkten, freien, gleichen und geheimen Wahl; die Abgeordneten des Bundesrats werden von den Landtagen beschickt. Die Bundesregierung wird vom Nationalrat gewählt, die Landesregierung von den Landtagen, der Bundespräsident durch die aus Nationalrat und Bundesrat gebildete Bundesversammlung. Es kommt zu einer Weiterentwicklung der Rechtsstaatlichkeit durch die Verwaltungs- und Verfassungsgerichtsbarkeit aber zu keiner Einigung über einen neuen Grundrechtskatalog. Als Träger des Parlamentarismus finden die Parteien keine ihrer Bedeutung entsprechende Nennung bzw. Regelung in der Verfassung. Ein eigenes Parteiengesetz folgt erst 1975.

1929

Verfassungsreform. Auf Druck der faschistischen Heimwehr wird der Bundespräsident nach dem Muster der autoritären Trends der Zeit gegenüber dem Parlament gestärkt. Das parlamentarische Regierungssystem erhält dadurch einen präsidialen Einschlag. Der Bundespräsident wird nun vom Volk direkt auf einen Zeitraum von 6 Jahren gewählt und erhält wesentlich erweiterte Kompetenzen. Zugleich kommt es zu einer Stärkung der Exekutive auf Kosten der Legislative, der Mehrheit auf Kosten der Minderheit, des Bundes auf Kosten der Länder.

1933

Die Regierung deutet die Amtsniederlegung durch die drei Präsidenten des Nationalrates als dessen „Selbstausschaltung“ und regiert aufgrund des Kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes von 1917 durch Verordnungen (März). Im Juni wird der Verfassungsgerichtshof ausgeschaltet („Putsch der kleinen Schritte“ unter Bundeskanzler Dollfuß).

1933/34-1938

Autoritäres Regime in Österreich. Alle Parteien bis auf die Einheitspartei der Vaterländischen Front werden verboten. 1933 erfolgt das Verbot von KPÖ und NSdAP, 1934 – nach dem Bürgerkrieg zwischen Sozialdemokraten und Republikanischem Schutzbund einerseits bzw. Christlichsozialen und Heimwehr, die sich an der Macht befinden, andererseits – wird die Sozialdemokratische Partei verboten.

1934

Am 1. Mai wird die austrofaschistische Verfassung verkündet. Eine autoritäre und vom Anspruch her ständische politische Struktur wird verfassungsgesetzlich festgeschrieben („ständisch-autoritäre Verfassung“). Sie besiegelt den radikalen Bruch mit der nach dem Ende des Ersten Weltkriegs festgelegten parlamentarischen Demokratie, tritt jedoch nicht in Kraft. Der Bundesstaat Österreich wird als berufsständisch gegliederter, autoritärer Staat in Gestalt einer Kanzlerdiktatur geführt.

1938-1945

NS-Diktatur in Österreich/Zweiter Weltkrieg. Nach dem „Anschluss“ an das Deutsche Reich (13. März 1938) beschließt die Regierung Seyß-Inquart ein völker- und verfassungswidriges Verfassungsgesetz über die Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich sowie die Abhaltung einer Volksabstimmung über den „Anschluss“. Es kommt zur Gleichschaltung der „Ostmark“, später der „Alpen- und Donau-Reichsgaue“; reichsdeutsches Recht wird eingeführt. Es finden keine freien Wahlen statt; die Gegner*innen des NS-Regimes, Juden, Roma und Sinti, sogenannte „Asoziale“ und Homosexuelle werden verfolgt und ermordet.

1943

Die Moskauer Deklaration der drei Alliierten USA, UdSSR und Großbritannien vom 1. November hält fest, dass Österreich „das erste freie Land“ gewesen sei, das der „Angriffspolitik Hitlers zum Opfer“ fiel, dass die Besetzung Österreichs durch Deutschland am 13. März 1938 „null und nichtig“ sei und dass nach dem Krieg „ein freies, unabhängiges Österreich wiederhergestellt“ werden soll.

1945

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wird Österreich wieder zur demokratischen Republik. Wie nach dem Ersten Weltkrieg fungieren die Parteien als Staatsgründer. Die Unabhängigkeitserklärung vom 27. April 1945 ist der erste Akt der Verfassungsgesetzgebung: Unter Berufung auf die Moskauer Deklaration wird die Wiederherstellung der Republik Österreich im Geiste der Verfassung von 1920 verkündet, der 1938 erzwungene „Anschluss“ wird für null und nichtig erklärt. Regiert wird zunächst aufgrund eines Verfassungsprovisoriums, nach der Wahl des Nationalrats (November) wird das B-VG 1920 in der Fassung von 1929 (nach dem Stand 4.3.1933) wieder in Kraft gesetzt; durch das Rechtsüberleitungsgesetz 1945 wird das bestehende Recht mit Ausnahme jener Rechtsvorschriften, die mit der neuen Verfassungsordnung unvereinbar sind, übernommen.

1945 – 1955

Österreich befindet sich unter alliierter Kontrolle, es besitzt Eigenstaatlichkeit, aber keine volle Handlungsfähigkeit. Der durch sogenannte Kontrollabkommen eingerichtete Alliierte Rat, das gemeinsame Organ der vier Besatzungsmächte, fungiert als Kontrolleur des österreichischen Regierungssystems.

1951

In Paris wird der Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) unterzeichnet. Beginn der europäischen Integration.

1953

Entwurf der sogenannten „ad hoc“-Sitzung der Hohen Behörde der Montanunion zur Schaffung einer Satzung der Europäischen Gemeinschaft“. Dieser „Verfassungsentwurf“ konzipiert einen föderalen Bundesstaat und wird zumeist als erster politisch bedeutsamer Entwurf für eine Neugründung Europas gesehen. Mit seinem Scheitern ebbt die europäische Verfassungsdebatte in den kommenden Jahren ab; die Integrationsbemühungen verlagern sich auf den wirtschaftlichen Bereich.

1955

Der Staatsvertrag wird unterzeichnet: Österreich erhält seine volle Souveränität zurück (15. Mai): Festgehalten sind im Staatsvertrag das Verbot der wirtschaftlichen oder politischen Vereinigung mit Deutschland, Verpflichtungen zur Beibehaltung der Unabhängigkeit von Deutschland, Verpflichtungen zur Wahrung der demokratischen Regierungsform, Verpflichtungen zur Wahrung der Rechte der slowenischen und kroatischen Minderheiten, Verpflichtung der Verhinderung des Wiederauflebens des Nationalsozialismus, Verpflichtungen in Bezug auf Wehrhoheit und Verpflichtungen zu Reparationen.

Am 26. Oktober („Nationalfeiertag“) wird das Bundesverfassungsgesetz (B-VG) über die Neutralität verabschiedet: Österreich erklärt zum Zwecke der dauernden Behauptung seiner Unabhängigkeit nach außen und zum Zwecke der Unverletzlichkeit seines Gebietes aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität, verspricht diese mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrecht zu erhalten und zu verteidigen sowie zur Sicherung dieser Zwecke keinen militärischen Bündnissen beizutreten und die Errichtung militärischer Stützpunkte fremder Staaten auf seinem Gebiete nicht zuzulassen.

1957

In Rom werden die Verträge zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Europäischen Atomgemeinschaft (EAG) unterzeichnet.

1958

Beitritt Österreichs zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), in Verfassungsrang seit 1964. Die europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) wurde 1950 von den Mitgliedern des Europarats in Anlehnung an die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 unterzeichnet.

1959

Gründung des Europäischen Menschengerichtshofes.

1974

B-VG Novelle: Stärkung der Länderrechte und des „kooperativen Föderalismus“.

1975

Erweiterung der Zuständigkeiten des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes durch die Möglichkeit von Individualanfechtungen. Bekenntnis Österreichs zur umfassenden Landesverteidigung. Ein Parteiengesetz mit korrespondierenden Verfassungsbestimmungen wird verabschiedet. Dieses betont die Bedeutung der Parteien im politischen Prozess und regelt deren Aufgaben, die öffentliche Finanzierung und die Wahlwerbung der politischen Parteien. Die Schaffung des Parteiengesetzes ist wesentlich durch die Einführung der öffentlichen Parteienfinanzierung motiviert.

1976

Das Volksgruppengesetz mit Verfassungsbestimmungen wird verabschiedet. Es stellt den Versuch dar, die unterschiedlichen Minderheitengesetze – die Stellung einiger österreichischer Minderheiten ist zum Teil durch Gesetze im Verfassungsrang oder durch bilaterale Verträge – abgesichert durch eine einheitliche Rechtsgrundlage für alle Minderheiten zu ersetzen.

1977

B-VG-Novelle: Die Vertretung des Bundespräsidenten bzw. der Bundespräsidentin wird neu geregelt. Die Volksanwaltschaft wird geschaffen (Volksanwaltschaftsgesetz) und die Kontrollbefugnis des Rechnungshofes ausgebaut.

1979

Einführung der Freiheit der Kunst als Grundrecht.

1981

B-VG-Novelle: Entlastung des Verfassungsgerichtshofes durch die Möglichkeit, eine Beschwerde abzulehnen; Einbau der Regelungen über die Volksanwaltschaft in das B-VG.

1983

B-VG-Novelle: Es kommt zu Kompetenzverschiebungen als Folge eines Forderungsprogramms der Bundesländer, das Anspruchsrecht der Bundesregierung gegenüber Gesetzesbeschlüssen der Landtage wird eingeschränkt.

1984

B-VG-Novelle: Es kommt zur Erfüllung weiterer Punkte des Forderungsprogramms der Bundesländer: die Länder erhalten verschiedene Gesetz- und Vollzugskompetenzen neu, die Befugnisse des Bundesrates werden erweitert, ein Notverordnungsrechts der Landesregierungen wird eingeführt, die Einrichtungen der unmittelbaren Demokratie auf Gemeindeebene werden abgesichert.

Vertragsentwurf des Europäischen Parlaments zur Gründung der Europäische Union vom 14. Februar („Spinelli-Entwurf“ nach dem italienischen Präsidenten der institutionellen Kommission des Europäischen Parlaments Altiero Spinelli). Dieser Entwurf trägt – obzwar seit Beginn des europäischen Integrationsprozesses immer wieder von einer „Europäischen Verfassung“ gesprochen wurde – erstmals die Form einer richtigen Verfassung und umfasst Bestimmungen über Grundrechte.

1986

Die Einheitliche Europäische Akte wird unterzeichnet. In diesem Dokument wird die Verwirklichung des Europäischen Binnenmarktes bis Ende 1992 festgelegt und die Grundlage für eine gemeinsame europäische Außenpolitik geschaffen.

1988

B-VG-Novelle: Weitere Erfüllung einiger Punkte des Forderungsprogramms der Bundesländer; Erweiterung der Kompetenzen des Bundesrates; Einführung der Landesbürgerschaft; Einführung der Volksbefragung auf Bundesebene; Einführung unabhängiger Verwaltungssenate in den Ländern (Kompetenzänderungen bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts); Umgestaltung des Rechtsschutzsystems des B-VG.

1989

Entschließung des Nationalrats zur Beantragung der EG-Mitgliedschaft; Beitrittserklärung des Bundesregierung.

1992

BVG über die Mitwirkung von Land und Gemeinde an der europäischen Integration, Durchführung von Rechtsakten der europäischen Integration auf Landesebene.

Der Vertrag über die Europäische Union wird in Maastricht unterzeichnet. Er gilt als umfassendste Reform seit den Römischen Verträgen, er bereitet die Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) vor; die Unionsbürgerschaft, die verstärkte Zusammenarbeit in der Innen- und Außenpolitik und der Ausbau der Kompetenzen des Europäischen Parlaments werden beschlossen.

1994

Bundesverfassungsgesetz über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union. Die Volksabstimmung über den am 5. Mai 1994 gefassten Gesetzesbeschluss wird am 12. Juni durchgeführt und bringt eine Mehrheit für die Annahme des Gesetzesbeschlusses.

Mit der B-VG-Novelle 1994/113 wird die Bezeichnung „Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)“ festgelegt. Die Bezeichnung B-VG 1920 in der Fassung von 1929 war schon längst irreführend, als das B-VG seit seinem Wiederinkrafttreten im Jahre 1945 bereits 66mal novelliert worden ist.

Die B-VG-Novelle 1994 bringt vor allem begleitende Verfassungsänderungen zum EU-Beitritt. Darunter sind die Grundlagen für die Wahlen der österreichischen Abgeordneten zum europäischen Parlament und die Mitsprachemöglichkeiten der Parlamente, Länder und Gemeinden hinsichtlich der Beeinflussung des Verhaltens der österreichischen Ratsmitglieder, insbesondere in Verständigungs- und Stellungnahmeverfahren.

Bericht des Institutionellen Ausschusses des Europäischen Parlaments über die Verfassung der Europäischen Union („Hermann-Bericht“ nach dem Namen des Berichterstatters Fernand Herman). Der Bericht, der als Reaktion auf die durch die fortschreitende Integration erforderliche Neustrukturierung der Union gesehen werden kann, wird vom Europäischen Parlament in seiner Entschließung vom 10.2.1994 abgelehnt, es beschließt aber die Arbeiten an einer gemeinsamen europäischen Verfassung fortzusetzen.

1995

Der EU-Beitritt Österreichs tritt in Kraft.

1997

Der Vertrag von Amsterdam wird verabschiedet (in Kraft seit 1999). Er verfolgt vier große Ziele: Beschäftigungspolitik und Bürgerrechte zu zentralen Anliegen der EU zu machen, die letzten Hindernisse für die Freizügigkeit zu beseitigen und die innere Sicherheit zu erhöhen, es Europa zu ermöglichen, in der Welt ein Wort mitzureden sowie angesichts der bevorstehenden Erweiterung die Organe der Europäischen Union effizienter zu gestalten (v.a. Stärkung des Europäischen Parlaments).

1998

Ein Bundesverfassungsgesetz regelt die Mitwirkung Österreichs an der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union (aufgrund des Titels V des Vertrages über die Europäische Union in der Fassung des Vertrages von Amsterdam).

Novellierung des Österreichischen Bundesverfassungsgesetzes, mit der der aus dem Staatsgrundgesetz von 1867 entnommene Gleichheitssatz („Alle Bundesbürger sind vor dem Gesetz gleich“) erstmals mit der Intention der Gleichbehandlung von Mann und Frau als Staatszielbestimmung formuliert wird. Bund, Länder und Gemeinden erklären Maßnahmen zur Förderung der faktischen Gleichstellung – und damit explizit auch ungleiche Behandlung zur Herstellung von Gleichheit – formalrechtlich als zulässig.

2000

Feierliche Proklamation der Charta der Grundrechte der Europäischen Union auf dem EU-Gipfeltreffen in Nizza. Die Verabschiedung der Charta sowie deren etwaige Aufnahme in die Verträge sind Bestandteil der Debatte über den Sinn und Zweck einer Europäischen Verfassung. Ihr Recht ist nicht bindend.

2001

Dezember: EU-Gipfeltreffen in Laeken. Mit seiner Erklärung über „Die Zukunft der Europäischen Union“ beschließt der Europäische Rat „einen Konvent einzuberufen, dem die Hauptakteure der Debatte über die Zukunft der Union angehören“. Dieser Konvent hat die Aufgabe, Vorschläge zu formulieren, um die Handlungsfähigkeit einer sich erweiternden Union in einer globalisierten Welt sicherzustellen. Gleichzeitig sollen die demokratische Legitimation und die Transparenz des Handelns der Union und ihrer Organe gestärkt werden. Ziel ist dabei ausdrücklich eine europäische Verfassung für die europäischen Bürgerinnen und Bürger.

2002

28. Februar 2002
Der EU-Konvent tritt in den Räumen des Europäischen Parlaments in Brüssel zum ersten Mal zusammen. Er soll zwischen März 2002 und Juni 2003 Vorschläge zur möglichen künftigen Gestalt der EU ausarbeiten.

2003

2. Mai 2003
Das Gründungskomitee des Österreich-Konvents tritt zusammen.

13. Juni 2003
Der EU-Konvent einigt sich über einen Textentwurf für eine europäische Verfassung.

30. Juni 2003

Konstituierende Sitzung des Österreich-Konvents.

10. Juli 2003
Der EU-Verfassungskonvent endet. Der Vertragsentwurf wird von fast allen Konventsmitgliedern unterzeichnet.

12. und 13. Dezember 2003
Scheitern des Verfassungsgipfels in Brüssel nach der Blockade Polens und Spaniens gegen ein neues Abstimmungssystem im EU-Ministerrat.

2004

17. Mai 2004
Fünf Monate nach dem gescheiterten Verfassungsgipfel nehmen die EU-Staaten die Verhandlungen über einen Vertrag für die erweiterte Union wieder auf. In wenigstens neun Staaten wird es darüber eine Volksabstimmung geben, wobei alle Staaten zustimmen müssen.

17. und 18. Juni 2004
Im Rahmen der Tagung des Europäischen Rates von Brüssel einigen sich die 25 Staats- und Regierungschefs auf einen endgültigen Text der Europäischen Verfassung.

29. Oktober 2004
Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union unterzeichnen in Rom die erste europäische Verfassung.

2005

28. Jänner 2005
Der Österreich-Konvent hält seine letzte Plenarsitzung ab und präsentiert den „Bericht des Österreich-Konvents“. Er endet ohne Einigung auf einen Verfassungstext.

27. Mai 2005
In Frankreich sprechen sich 54,87 Prozent der Wähler*innen beim Referendum gegen die EU-Verfassung aus.

1. Juni 2005
Auch in den Niederlanden wird die EU-Verfassung (mit 61,6 Prozent der Wähler*innenstimmen) abgelehnt.

16. und 17. Juni 2005
Nach den negativen Referenden in Frankreich und den Niederlanden beschließt der Rat in Brüssel vorerst keine weitere Ratifizierung durchzuführen.

2006

Bei einer Klausur im niederösterreichischen Stift Klosterneuburg kommen die EU-Außenminister*innen überein, die Reflexionsphase über die Zukunft Europas und die Europäische Verfassung zu verlängern. Die deutsche Ratspräsidentschaft soll bis Mitte 2007 „tragfähige Vorschläge“ ausarbeiten.

2007

Oktober
Die EU-Mitgliedsstaaten einigen sich in Lissabon auf den EU-Reformvertrag, der wesentliche Bestimmungen des gescheiterten Verfassungsentwurfes umfasst und die EU-Verfassung ersetzen soll.

13. Dezember 2007
Der EU-Reformvertag wird in Lissabon unterzeichnet. Es startet der Ratifikationsprozess.

2008

12. Juni 2008
In Irland findet als einzigem EU-Mitgliedsstaat ein Referendum über den Lissabon-Vertrag statt. Der Reformvertrag wird abgelehnt.

2009

2. Oktober 2009
Zwischen Irland und den restlichen EU-Mitgliedstaaten findet ein zweites Referendum über den Vertrag von Lissabon statt. Der Reformvertrag wird nun angenommen. In den anderen EU-Mitgliedstaaten haben die Parlamente über den Vertrag abgestimmt.

1. Dezember 2009
Der Vertrag von Lissabon tritt in Kraft

Quellen

  • Welan, Manfried: Österreichische Verfassungsgeschichte. Unveröffentlichtes Manuskript.
  • Ucaker, Karl (1985): Demokratie und Wahlrecht in Österreich. Zur Entwicklung von politischer Partizipation und staatlicher Legitimationspolitik. Wien: Verlag für Gesellschaftskritik.
  • Schmid-König, Christine: Entwürfe für eine Verfassung Europas. www.uni-trier.de/%7Eievr/eu_verfassungen/entwurf.htm (02.03.2003)
  • Blümel, Barbara: Österreich Konvent. Die Umsetzung der Verfassungsrevision. Eigenrecherchen.