2019 wurde die jährliche Tagungsreihe Vienna Conference on Citizenship Education in Kooperation mit dem Arbeitsbereich Didaktik der Politischen Bildung an der Universität Wien gestartet. Sie will die Politische Bildung in Österreich weiterentwickeln und einen Beitrag zu deren Internationalisierung zu leisten. Neben Beiträgen aus der didaktischen Praxis bietet sie Raum für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Didaktik der Politischen Bildung.
Die Tagungsergebnisse erscheinen in der von Dirk Lange im Springer Verlag herausgegebenen Reihe Citizenship. Studien zur Politischen Bildung
Citizen self-formation. Politische Bildung von unten
Im Jahr 2024 widmet sich die 6th Vienna Conference on Citizenship Education dem Schwerpunktthema der politischen Selbstbildung. Als Antwort auf die jüngsten Krisen der und in der Demokratie etablieren gegenwärtige Ansätze der Politischen Bildung die Idee einer starken Sozialisation, die auf ein Engagement für oder eine Subjektivierung in die demokratische Wertegemeinschaft abzielt. Mit der Idee der politischen Selbstbildung schlagen wir einen anderen Weg vor. Politische Selbstbildung (citizen self-formation) begreifen wir in doppelter Bedeutung: (a) als die Formierung des politischen Subjekts in seiner spezifischen Form als citizen, was sich mit dem Ansatz der Subjektivierung fassen lässt und (b) als einen Lernprozess, in dem das Subjekt nicht „belehrt“ wird, sondern sich selbst – durch individuelle oder kollektive Reflexion der politischen Welt – politisch bildet.
Citizen self-formation, Sky Lounge Wien, November 2024
© Demokratiezentrum Wien
Radikale Demokratiebildung. Demokrat:in-Sein|Demokrat:in-Werden im Horizont postfundamentalistischer Demokratietheorie und -bildung
Das Thema im Jahr 2023 war die Radikale Demokratiebildung: Die Kulmination von Krisen zu Beginn des 3. Jahrtausends – Klimakrise, Verteilungskrise, Gesundheitskrise, Ernährungskrise, Trinkwasserkrise, Finanzkrise u. v. a. – macht es unmöglich, unsere Situation ausschließlich in Figurationen lokaler oder zeitlich abgrenzbarer Probleme oder Herausforderungen zu erfassen, sondern wirft fundamentale Fragen auf. Allen voran die Frage, in welcher Welt wir zukünftig leben wollen. Für die demokratische Praxis, wie auch für demokratisches Denken, erwächst daraus eine kaum zu überschätzende Aufgabe: Die Reformulierung des Rahmens eines gemeinsamen, demokratischen Erfahrungshorizontes, eines demokratischen, (mit-)geteilten Weltzugangs. Dabei zeigt sich, dass vor allem die Blaupausen liberaler Demokratieansätze selbst in eine Krise geraten sind und ihre Orientierungskraft eingebüßt haben.
Da nicht nur die bisherigen Gründe der Demokratiemodelle, sondern auch die Begründungsformen nicht mehr überzeugen, bedarf es einer postfundamentalistischen Perspektive der Demokratietheorie, die sich in Praktiken radikaler Demokratiebildung konkretisiert.
Radikale Demokratiebildung, Sky Lounge Wien, Juni 2023
Postcolonial Citizens? Dekolonialität in der Politischen Bildung
2022 war Dekolonialität das Thema: Durch zahlreiche gesellschaftliche Auseinandersetzungen – als prominentestes Beispiel ist hier wohl neben vielen anderen #blacklivesmatter zu nennen – sind dekoloniale Perspektiven inzwischen nicht mehr unsichtbar zu machen.
Solidary Citizens. Imperiale Lebensweise und Politische Bildung
Im Jahr 2021 untersuchte die Konferenz unter dem Titel Solidary Citizens das Konzept Imperiale Lebensweise und die damit verbundenen Impulsen, Anregungen und Schlussfolgerungen für die Politische Bildung. Der Begriff der „imperialen Lebensweise“ wurde von Ulrich Brand und Markus Wissen vorgeschlagen, um die tiefe institutionelle, diskursive und alltägliche Verankerung einer sozial, wirtschaftlich und ökologisch nicht nachhaltigen Produktions- und Lebensweise genauer zu verstehen.
entangled citizens. Intersektionalität in der Politischen Bildung
2020 lag der Schwerpunkt von entangled citizens, coronabedingt online abgehalten, auf der Bedeutung von Intersektionalität in der Politischen Bildung. Die Beurteilung von Personen aufgrund von ihnen zugeschriebenen, sich überschneidenden Eigenschaften oder Zugehörigkeiten ist im gesellschaftlichen Alltag weit verbreitet. Chancen, Entwicklungsmöglichkeiten und Herausforderungen für die Politische Bildung im Zusammenhang mit Intersektionalität wurden kritisch reflektiert und im Kontext unterschiedlicher Forschungshintergründe vorgestellt.
Augmented Democracy? Politische Bildung in Zeiten der Digitalisierung
Augmented Democracy? widmete sich 2019 dem Schwerpunktthema Digitalisierung. Im Vordergrund stand der reflektierte Umgang mit Digitalisierung und den Schlussfolgerungen für die Politische Bildung.