Fristenlösung

Die Debatte um eine Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs reicht weit in die österreichische Geschichte zurück und wurde erstmals vehement von sozialdemokratischen Politikerinnen in der Ersten Republik geführt. Legalisiert wurde der Schwangerschaftsabbruch mit der Einführung der Fristenregelung im Rahmen der Großen Strafrechtsreform 1975:

Während ihres Villacher Parteitags nahm die SPÖ im Frühjahr 1971 mit großer Mehrheit einen Antrag der Bundesfrauenkonferenz an, in dem gefordert wurde, "der Konfliktsituation der Frau durch Gewährung eigener Entscheidungsfreiheit innerhalb eines medizinisch vertretbaren Zeitraumes vollends Rechung" zu tragen. Im Jänner 1971 hatte Justizminister Christian Broda in seiner Vorlage zur Strafrechtsreform eine Indikationenlösung vorgeschlagen, die zunächst von den SPÖ-Frauen unterstützt wurde. In den Verhandlungen mit der ÖVP zeichnete sich ein Konsens ab; Kritik am Entwurf Brodas übte die katholische Kirche, die auch den Begriff der Schuld für das Strafrecht betonte. Im Sommer 1971 trat die "Aktion Leben" zum ersten Mal auf und mobilisierte gegen "Lockerungen der Abtreibungsbestimmungen". Gleichzeitig begann sich in der SPÖ die Stimmung zu ändern. Junge Frauen gründeten ein "Aktionskomitee zur Abschaffung des §144", das im Jänner 1971 öffentlich den Entwurf Brodas ablehnte. In der sich zuspitzenden Debatte traten immer mehr Sozialistinnen, auch aus der Gewerkschaft, für das Selbstbestimmungsrecht der Frau ein und setzten schließlich gegen den Willen der Parteiführung – Bundeskanzler Bruno Kreisky wollte das Einvernehmen mit der Kirche nicht gefährden – die Fristenregelung durch. Diese wurde im Parlament nur mit den Stimmen der SPÖ beschlossen und trat am 1. Jänner 1975 in Kraft. Die Regelung besagt, dass der Schwangerschaftsabbruch straffrei bleibt, wenn er innerhalb der ersten drei Monate der Schwangerschaft von einem Arzt nach vorheriger ärztlicher Beratung durchgeführt wird. Der Widerstand gegen die Fristenregelung von katholisch-konservativer Seite kam im "Volksbegehren zum Schutz des menschlichen Lebens", initiiert von der "Aktion Leben", zum Ausdruck, das von 895.665 Personen (fast 18 % der Wahlberechtigten) unterzeichnet wurde.