Julius Raab wurde 1891 in St. Pölten (Niederösterreich) geboren. Als gelernter Bauingenieur war er von 1927-34 Abgeordneter zum Nationalrat (Christlichsoziale Partei) und niederösterreichischer Heimwehrführer, 1938 Handels- und Verkehrsminister. Die Kriegsjahre verbrachte Raab als Bauleiter in einer Wiener Baufirma. 1945 war er Mitbegründer und Präsident der Bundeswirtschaftskammer und des Österreichischen Wirtschaftsbundes sowie der Österreichischen Volkspartei, deren Parteiobmann er von 1952-1960 war. Von 1945-1964 war Raab Abgeordneter zum Nationalrat, 1953-1961 Bundeskanzler und 1963 (erfolglos) ÖVP-Kandidat für die Bundespräsidentenwahl. Als Präsident der Bundeswirtschaftskammer (1946-1953 und 1961-1964) gehörte Raab gemeinsam mit Johann Böhm zu den Begründern der Sozialpartnerschaft. Seine Kanzlerschaft war durch eine Zeit enger Zusammenarbeit zwischen ÖVP und SPÖ geprägt; gemeinsam mit Wirtschaftsminister Kamitz war Raab, der die europäische Integrationspolitik förderte (EFTA-Beitritt), für ein Wirtschaftskonzept ("Raab-Kamitz-Kurs") verantwortlich, das unter anderem zur Stabilisierung der österreichischen Währung, zur Vollbeschäftigung und zur Entwicklung des Wohlfahrtsstaats beitrug. Das Ansehen Raabs, oft als Virigina rauchender "Baumeister der Zweiten Republik" dargestellt, erreichte mit dem Abschluss des Staatsvertrags 1955 seinen Höhepunkt.
Quellen: Herbert Dachs u.a. (Hg.), Die Politiker. Karrieren und Wirken bedeutender Repräsentanten der Zweiten Republik, Wien 1995.