Repräsentation

Repräsentation ist an sich seit der Antike ein Grundbegriff der Ästhetik. Heute wird Repräsentation als Überbegriff für einen komplexen Prozess verwendet, in dem auf mehreren Ebenen Nicht-Gegenwärtiges vergegenwärtigt wird. (Vgl. Müller, M. G. 2003:25) Zurückzuführen ist diese Bedeutungserweiterung unter anderem auf die politische Theorie der Neuzeit, welche die Beziehungen zwischen den Individuen und der Staatsgewalt zu beschreiben versuchte. In heutigen Repräsentationstheorien spielt die Frage nach der Beziehung ästhetischer und semiotischer Repräsentation (wenn Dinge für andere Dinge stehen) und politischer Repräsentation (wenn Personen für andere Personen handeln) eine bedeutende Rolle (Vgl. Mitchell 1994a:17).

Allgemein kann Repräsentation als Beziehungsdreieck verstanden werden: etwas/jemand wird durch etwas/jemand für jemand dargestellt; zudem nehmen die Urheber*innen der Darstellungsintention eine vierte Stelle ein, so dass diese dreieckige Beziehungsstruktur zu einem Viereck mit zwei diagonalen Achsen wird. Die „Darstellungsachse“ und die „Kommunikationsachse“ überkreuzen einander und – in welcher sozialen Situation auch immer – überschneiden sich mit anderen Kommunikationslinien. Dies impliziert potenzielle Kommunikationshindernisse, die zu Missverständnissen führen können. So beruht jede Repräsentation auf sozial ausgehandelten Bedeutungssystemen mit einer bestimmten Anzahl von Regeln zur Kombination und Entzifferung der repräsentierenden Zeichen. Außerhalb solcher Kodes verlieren die Zeichen ihre Repräsentationsfunktion (Vgl. ebenda:18-20). Die Semiotik fragt zusätzlich nach den Relationen der Repräsentation. Darstellungen können auf Ähnlichkeit (Ikon), auf einem Ursache-Wirkungs-Verhältnis oder irgendeiner existentiellen Beziehung wie körperlicher Nähe oder Verbundenheit beruhen (Index) oder das Resultat einer willkürlich getroffenen Übereinkunft sein (Symbol) (Vgl. ebenda: 21-22).

Auf einer weiteren Ebene können – nach Aristoteles – Repräsentationen nach dreierlei Gesichtspunkten unterschieden werden: nach dem Gegenstand (dem Repräsentierten), nach dem Mittel (dem zur Repräsentation verwendeten Material wie etwa Sprache, musikalische Formen, Farben, Stile etc.) und nach der Art der Repräsentation (wie ein Repräsentationskode eingesetzt wird), die allerdings beliebig miteinander kombiniert werden können. Über längere Zeiträume hinweg entwickeln sich so „Minicodes“, „Konventionen“ einer Darstellungsweise, die zusätzlich über sozial ausgehandelte Restriktionen (Verbote und Tabuisierungen) hinsichtlich ihres Gegenstands, ihrer Rezipient*innen geregelt werden. Auf diese Weise ist Repräsentation stets mit politischen und ideologischen Problemen verknüpft (Vgl. ebenda: 20-23).

Quelle: Mitchell, W. J. Thomas: Picture Theory. Essays on Verbal and Visual Representation, Chicago 1994; Müller, Marion G.: Grundlagen der visuellen Kommunikation. Theorieansätze und Analysemethoden, Konstanz 2003 (UTB 2414).